Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
lag sie nicht falsch, La Jolla war sehr teuer. Gordon bezweifelte jedoch, dass er überhaupt etwas für die traditionellen jüdischen Anliegen geben würde. Der Wegzug von New York hatte ihn von dem Hokuspokus der Ernährungsvorschriften und Talmudwahrheiten getrennt. Penny hatte ihm gesagt, auf sie mache er keinen sehr jüdischen Eindruck, aber er wusste, dass sie in diesen Fragen sehr unwissend war. Die Umgebung, in der sie aufgewachsen war, hatte ihr nichts über die kleinen verräterischen Hinweise beibringen können. Aber die meisten Menschen in Kalifornien waren wahrscheinlich ebenso unwissend, eine Tatsache, die Gordon entgegenkam. Er mochte es nicht, wenn Fremde sich eine Meinung von ihm bildeten, bevor sie seine Hand schüttelten. Einer der wichtigsten Gründe, nach La Jolla zu ziehen, war die Befreiung aus der klaustrophobischen jüdischen Umwelt New Yorks.
Sie waren fast zu Hause und bogen gerade in die Nautilus Street ein, als seine Mutter eine Spur zu beiläufig sagte: »Diese Penny, Gordon, du solltest mir etwas über sie erzählen, bevor ich sie kennen lerne.«
»Was gibt’s da zu erzählen? Ein Mädchen aus Kalifornien.«
»Und das heißt?«
»Sie spielt Tennis, wandert in den Bergen, ist fünfmal in Mexiko gewesen, aber nie weiter nach Osten als bis nach Las Vegas gekommen. Sie geht sogar surfen. Sie hat versucht, mich auch dazu zu überreden, aber ich muss erst in besserer Verfassung sein. Ich mache die Übungen des kanadischen Air-Force-Trainings.«
»Hört sich nett an«, meinte sie skeptisch.
Gordon nahm für sie ein Zimmer im Surfside Motel, zwei Blocks von seiner Wohnung entfernt, und fuhr dann zusammen mit ihr in die Wohnung. Sie betraten ein Zimmer, das vom Geruch einer kubanischen Kasserolle erfüllt war. Das Rezept hatte Penny gelernt, als sie mit einem südamerikanischen Mädchen zusammenwohnte. Sie kam aus der Küche und band sich die Schürze ab – so häuslich hatte sie, soweit Gordon sich erinnern konnte, noch nie ausgesehen. Trotz ihrer Einwände machte Penny seiner Mutter, die überschwenglich und begeistert reagierte, etwas vor. Geschäftig eilte seine Mutter in die Küche, um bei den Salaten zu helfen und ihre Nase in Pennys Rezept und die Töpfe zu stecken. Gordon beschäftigte sich mit dem Weinritual, das zu lernen er gerade im Begriff war. Vor Kalifornien hatte er selten etwas getrunken, das nicht nach den Weinprodukten der Firma Concord schmeckte. Jetzt hielt er stets einen Vorrat von Krug and Martini in einem Schrank und konnte die Bemerkungen über duftige Buketts und ausgebaute Weine verstehen, obwohl er sich in Wahrheit nicht sicher war, was all diese Ausdrücke bedeuteten.
Seine Mutter kam aus der Küche, richtete den Tisch mit schnellen, routinierten Bewegungen und fragte nach dem Bad. Gordon zeigte ihr den Weg. Als er sich wieder der Zeremonie des Entkorkens zuwandte, fiel sein Blick auf Penny, die zu grinsen begann. Er grinste zurück. Sollte ihr Enovid eine Flagge der Unabhängigkeit sein.
Mrs. Bernstein war ruhiger, als sie zurückkam. Ihr Entengang war ausgeprägter denn je, ihr unvermeidliches schwarzes Kleid bauschte sich, als sie durchs Zimmer watschelte. Sie trug einen verwirrten Gesichtsausdruck. Das Essen begann und nahm seinen Verlauf, ohne dass viele Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Vetter Irv ging irgendwo in Massachusetts in die Textilbranche, Uncle Herb machte wie gewöhnlich schnelles Geld, und seine Schwester – hier legte seine Mutter eine Pause ein, als fiele ihr plötzlich ein, dass sie dieses Thema nicht anschneiden konnte – rannte immer noch mit ein paar Verrückten im Village herum. Gordon lächelte. Seine Schwester, zwei Jahre älter und viel, viel mutiger, stand auf eigenen Füßen. Er machte eine Bemerkung über ihre Kunst und dass es einige Zeit dauerte, damit klarzukommen, und seine Mutter wandte sich an Penny und fragte: »Ich nehme an, Sie interessieren sich auch für Kunst.«
»O ja«, bestätigte Penny. »Europäische Literatur.«
»Und was halten Sie von Mr. Roths neuem Buch?«
»Oh«, reagierte Penny, die offenbar Zeit herausschinden wollte. »Ich glaube, ich habe es noch nicht zu Ende gelesen.«
»Das sollten Sie aber. Es würde Ihnen helfen, Gordon viel besser zu verstehen.«
»Hmm?«, schaltete Gordon sich ein. »Was meinst du damit?«
»Nun, mein Lieber«, antwortete Mrs. Bernstein langsam und verständnisvoll, »es könnte ihr einige Hinweise auf … nun … ich glaube, Mr. Roth ist – das meinen Sie doch auch,
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