Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Unersättlichen und Millers Wendekreis des Steinbocks beschrieben wurden. Interessiert las Gordon die Auszüge. In diesem Dickicht sich öffnender Schenkel, durchschlagender Orgasmen und der reinsten Gymnastik konnte er nichts erkennen, was das Staatswesen korrumpieren könnte. Aber General Edwin Walker war da anderer Meinung, und Barry Goldwater trat als Gelehrter in Erscheinung, der in gesetzten Worten vor der Erosion des öffentlichen Bewusstseins durch private Laster warnte. Dann der übliche Unsinn über die Analogie zwischen den Vereinigten Staaten und dem Niedergang des römischen Reiches. Gordon kicherte und warf das Heft weg. Hier im Westen bestand eine gänzlich andere Zivilisation. Eine Gruppe, die nach Zensur rief, würde an der Ostküste niemals Universitätsangehörige um Beiträge angehen; sie wüsste, dass es vergeblich wäre, reine Papierverschwendung. Vielleicht glaubten diese Einfaltspinsel hier, der Vergleich mit dem römischen Reich würde sogar Dozenten gefallen. Gordon überflog die neueste Ausgabe der Physical Review und hakte die Aufsätze ab, die er später lesen wollte. Claudia Zinnes’ interessanter Beitrag über Kernresonanzen enthielt sauberes Datenmaterial; die alte Gruppe am Columbia bewahrte sich ihren guten Ruf.
Gordon seufzte. Vielleicht hätte er nach dem Examen am Columbia bleiben sollen, anstatt so früh den Sprung auf eine Stelle als Assistenzprofessor zu tun. La Jolla war eine dynamische, wettbewerbsintensive Universität, hungrig nach Ruhm und »Leistung«. Ein örtliches Magazin veröffentlichte monatlich eine Kolumne mit dem Titel Eine Universität auf ihrem Weg zur Größe , voll mit lärmender Reklame und Fotos von Professoren, die komplizierte Instrumente studierten oder über eine Gleichung angestrengt nachdachten. Kalifornien auf dem Weg zu den Sternen, Kalifornien auf dem Sprung nach vorn, Kalifornien, das Geist für Geld kauft. Sie hatten Herb York, damals Abteilungschef im Verteidigungsministerium, als ersten Kanzler an die Universität geholt. Harold Urey war gekommen, und die Mayers, dann Keith Brueckner, der Nukleartheoretiker, dessen tröpfelnde Erfolge inzwischen zu einem steten Strom angewachsen waren. In solchen Gewässern war ein junger Assistenzprofessor in seinem Job so sicher wie ein lebender Köder.
Gordon ging durch die Flure des dritten Stockwerks und betrachtete die Namen auf den Türen. Rosenbluth, der Plasmatheoretiker, den einige für den besten der Welt hielten. Matthias, Spezialist für Niedertemperaturen, der Mann, der den Rekord für den Supraleiter mit der höchsten Funktionstemperatur hielt. Kroll, Suhl, Piccioni und Feher – jeder Name bedeutete zumindest eine einschneidende Erkenntnis, eine brillante Berechnung oder ein denkwürdiges Experiment. Und hier, am Ende neonbeleuchteter Ziegelgleichförmigkeit des Flurs: Lakin.
»Ach ja, Sie haben meine Nachricht erhalten«, sagte Lakin, nachdem Gordon eingetreten war. »Gut. Wir müssen Entscheidungen treffen.«
»Oh? Wieso?«, reagierte Gordon und setzte sich an die andere Seite von Lakins Schreibtisch nahe am Fenster. Draußen knickten mechanisch brummende Bulldozer einige der Eukalyptusbäume um, Vorbereitungen für das neue Chemiegebäude.
»Mein Stiftungszuschuss steht vor der Neubewilligung«, erklärte Lakin vielsagend.
Gordon fiel auf, dass Lakin nicht »unser« Zuschuss sagte, obwohl er, Shelly und Gordon gemeinsam forschten. Lakin war der Mann, der die Schecks abzeichnete, der E. F., wie die Sekretärinnen es nannten – der Erste Forscher. Das machte den Unterschied aus. »Der Vorschlag für die Neubewilligung steht erst um Weihnachten an«, sagte Gordon. »Sollen wir wirklich schon so früh schreiben?«
»Ich rede nicht vom Schreiben an sich. Worüber sollen wir schreiben?«
»Ihre Experimente zur Lokalisierung von Spins.«
Lakin schüttelte den Kopf, ein finsterer Ausdruck zog über sein Gesicht. »Sie befinden sich noch immer im Probestadium. Ich kann sie nicht als gewichtigstes Argument anführen.«
»Shellys Resultate …«
»O ja, sie sind vielversprechend. Gute Arbeit. Aber sie sind noch nichts Herausragendes, nur lineare Projektionen früherer Arbeiten.«
»Dann bleibe nur noch ich.«
»Genau, Sie.« Lakin legte die Fingerspitzen gegeneinander. Sein Schreibtisch war bemerkenswert aufgeräumt, alle Papiere lagen parallel zur Kante, die Bleistifte waren in Reih und Glied geordnet.
»Ich habe noch keine eindeutigen Ergebnisse.«
»Ich habe Ihnen das Problem der
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