Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Straße aus, um an ihnen vorbeizugehen, Radfahrer umkurvten die Fußgänger mit lautem Klingeln. Sie wandten sich nach links und schlenderten ein Stück. An der Ecke gegenüber blieben sie vor den Schaufenstern des Buchgeschäfts Bowes & Bowes stehen.
»Hätten Sie etwas dagegen, dass ich eine Minute hineingehe?«, fragte Peterson. »Ich möchte mich nach etwas umsehen.«
»Sicher, ich komme mit. Ich bin verrückt nach Buchläden, an keinem kann ich vorbeigehen.«
Bowes & Bowes war fast so überfüllt wie vorher das Whim, aber die Stimmen waren hier gedämpfter. Vorsichtig schlängelten sie sich zwischen Studenten in schwarzen Talaren und Bücherpyramiden hindurch. Peterson zeigte auf ein Buch auf einem weniger auffälligen Tisch weiter hinten im Laden.
»Haben Sie das schon gesehen?«, fragte er, nahm ein Exemplar und gab es Markham.
»Holdrens Buch? Nein, gelesen habe ich es noch nicht, aber mit ihm schon darüber gesprochen. Ist es gut?« Markham blickte auf den Titel, in roten Lettern auf einen schwarzen Einband geprägt: Die Geographie des Elends: Geopolitik des Niedergangs des Menschen von John Holdren. In der rechten unteren Ecke befand sich eine kleine Reproduktion eines mittelalterlichen Kupferstichs – ein grinsendes Skelett mit einer Sense. Markham blätterte, hielt inne und begann zu lesen. »Sehen Sie sich das an!«, sagte er und reichte Peterson das Buch. Der überflog die Tabelle und nickte.
ZUZUORDNENDE TODESFÄLLE (geschätzt)
1984-96
Java
8 750 000
1986
Malawi
2 300 000
1987
Philippinen
1 600 000
1987 – heute
Kongo
3 700 000
1989 – heute
Indien
68 000 000
1990 – heute
Kolumbien, Equador, Honduras
1 600 000
1991 – heute
Dominikanische Republik
750 000
1991 – heute
Ägypten, Pakistan
3 800 000
1993 – heute
Südostasien allgemein
113 500 000
Markham pfiff durch die Zähne. »Ist die Tabelle genau?«
»O ja. Eher zu niedrig geschätzt.«
Peterson ging in den hinteren Teil des Ladens. Auf einem hohen Stuhl saß eine junge Frau und tippte eine Zahlenreihe in eine automatische Kasse. Ihr nach vorn fallendes blondes Haar verbarg ihr Gesicht. Unauffällig musterte Peterson sie, während er eins der Bücher vor sich aufblätterte. Hübsche Beine. Modisch gekleidet, allerdings mochte er den folkloristischen Stil nicht. Um den Hals ein kunstvoll drapiertes blaues Halstuch. Schlank, aber wahrscheinlich nicht mehr lange. Etwa neunzehn Jahre. Als hätte sie seinen Blick bemerkt, schaute sie ihn an. Er starrte weiter auf sie. Ja, neunzehn und sehr hübsch – und das wusste sie auch. Sie glitt von ihrem Stuhl, drückte abwehrend einige Papiere gegen ihre Brust und trat auf ihn zu.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte er mit einem leichten Lächeln. »Vielleicht. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn Sie es können.«
Sie ging auf seinen lockeren Flirtton ein und reagierte mit einer Routine, die, wie er vermutete, auf die jungen Männer in der Stadt umwerfend wirken musste. Sie wandte sich von ihm ab, blickte über die Schulter und sagte mit rauer Stimme: »Sagen Sie mir nur Bescheid.« Unter langen Wimpern warf sie ihm einen langen Blick zu, lächelte kess und stolzierte durch den Laden nach vorn. Er war amüsiert. Zuerst hatte er wirklich geglaubt, ihre kokette Routine wäre ernsthaft beabsichtigt, was lächerlich gewesen wäre, wäre sie nicht so hübsch. Ihr Lächeln zeigte, dass sie ihm etwas vorspielte. Plötzlich war Peterson bester Laune und entdeckte fast sofort das Buch, nach dem er gesucht hatte.
Er nahm es und machte sich auf die Suche nach Markham. Das Mädchen stand mit dem Rücken zu ihm bei zwei Kolleginnen. Die beiden lachten und starrten zu ihm herüber. Offenbar sagten sie der jungen Blondine, dass er sie beobachtete, denn sie drehte sich zu ihm um. Sie war tatsächlich bemerkenswert hübsch. Er fällte eine schnelle Entscheidung. Markham stöberte in der Science-Fiction-Abteilung.
»Ich muss noch ein paar Besorgungen machen«, sagte Peterson. »Gehen Sie doch schon mal vor und sagen Renfrew, ich käme in einer halben Stunde.«
»Okay, gern«, entgegnete Markham. Peterson sah ihm nach, wie er mit athletischem Gang zur Tür hinaustrat und in der Gasse hinter dem als Schools bekannten Gebäude verschwand.
Peterson blickte sich wieder nach der Verkäuferin um. Sie bediente einen anderen Kunden, einen Studenten. Beim Ausfüllen des Kassenzettels beugte sie sich mehr als erforderlich vor, gerade so weit, dass er in ihre Bluse blicken konnte. Dann
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