Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Küstenstreifen zerschmettern. Und trübe Gedanken an Kubaner, die Kunstdünger in den Ozean kippten und das Leben dort zerstörten – ja, es war alles zu unwahrscheinlich, Produkt seiner Paranoia, ja, dessen war er sich in dieser Nacht sicher.
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22. März 1963
G ordon breitete die San Diego Union auf dem Labortisch aus. Im selben Moment wünschte er, er hätte sich die Mühe gemacht, eine Ausgabe der Los Angeles Times herauszusuchen, denn die Union widmete in ihrer hinterwäldlerischen Art der Heirat von Hope Cooke, der jüngsten Sarah-Lawrtense-Absolventin, und Kronprinz Palden Thonup Namgyal von Sikkim viel Raum. Die Union schien geradezu verzückt von dem Gedanken, dass ein amerikanisches Mädchen einen Mann heiratete, der in Kürze Maharadscha sein würde. Die echten Nachrichten erschienen nur als kleinere Meldung auf der ersten Seite: Davey Moore war tot. Ungeduldig blätterte Gordon die Sportseite auf und war besänftigt, dort einen längeren Artikel zu finden. Sugar Ramos hatte Moore in der zehnten Runde ihres Kampfs um die Weltmeisterschaft im Federgewicht in Los Angeles ausgeknockt. Erneut wünschte Gordon, er hätte Karten gehabt; die Vorlesungen und seine Forschungen hatten ihn so lange abgelenkt, bis sie alle ausverkauft gewesen waren. Moore war an einer Hirnblutung gestorben, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen; ein weiterer Fleck auf dem Boxsport. Gordon seufzte. Es gab die voraussehbaren Kommentare von den voraussehbaren Leuten, die das Boxen ganz verbieten lassen wollten. Einen Moment fragte er sich, ob sie vielleicht Recht hatten.
»Hier ist das neue Material«, sagte Cooper neben ihm.
Gordon nahm die Aufzeichnungen. »Weitere Signale?«
»Ja«, erwiderte Cooper knapp. »Seit Wochen habe ich jetzt gute Resonanzkurven und urplötzlich – zack und weg.«
»Haben Sie sie entschlüsselt?«
»Sicher. Viele Wiederholungen.«
Gordon folgte Cooper zu dessen Arbeitsplatz, wo die Laboraufzeichnungen ausgebreitet waren. Er ertappte sich bei der Hoffnung, dass alles unsinnig war, einfaches Rauschen. Auf diese Weise wäre es viel leichter. Er würde sich nicht um Botschaften kümmern müssen, Cooper konnte an seiner Dissertation weiterarbeiten, Lakin wäre glücklich. Gerade jetzt brauchte sein Leben keinerlei Komplikationen, und er hatte gehofft, der Effekt spontaner Resonanzen würde einfach verschwinden. Ihr Beitrag in Physical Review Letters hatte Interesse erregt, und niemand hatte die Arbeit kritisiert; vielleicht war es das Beste, die Dinge dabei zu belassen.
Seine Hoffnung schwand, als er Coopers eckige Druckschrift las.
SENDLFX 7 VON CL998 CAMBE19983ZX
RA 18 5 36 DEK 30 29,2
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Die rätselhafte Folge von Buchstaben und Zahlen füllte drei Seiten. Dann hörte sie plötzlich auf, und es folgte:
MUESSTE ALS PUNKTQUELLE IM TACHYONENSPEKTRUM ERSCHEINEN SPITZE BEI 263 KEV KANN GEPRUEFT WERDEN MIT KMR-RICHTUNGSMESSUNG FOLGT ZPASUCZ AKSOWLP UMSETZUNG IN RECHTECK-KOORDMZALS RTRAGUNG VON 19BD 1998KOORDHQE
Danach kam nichts Zusammenhängendes mehr. Gordon studierte Coopers Daten. »Der Rest wirkt wie ein schlichtes an-aus. Keinerlei Code.« Cooper nickte und kratzte sich das Bein unterhalb der abgeschnittenen Jeans. »Nur Punkte und Striche«, sagte Gordon zu sich selbst. »Komisch.« Wieder nickte Cooper. Gordon hatte bemerkt, dass Cooper sich in letzter Zeit darauf beschränkte, die Daten aufzunehmen, und keine Meinung mehr äußerte. Vielleicht hatte der Zusammenprall mit Lakin ihn gelehrt, dass eine agnostische Haltung risikoloser war. Cooper schien zufrieden damit, normale Resonanzsignale aufzunehmen; sie waren die Ecksteine seiner Dissertation.
»Das Material zu Anfang – RA und DEK.« Gordon strich sich übers Kinn. »Klingt irgendwie astronomisch …«
»Mhmmm«, meinte Cooper. »Kann sein.«
»Ja – Rektaszension und Deklination. Das sind Koordinaten , die einen Punkt im Raum definieren.«
»Hm. Könnte sein.«
Gereizt blickte Gordon auf. Man konnte auch zu sehr mit verdeckten Karten spielen. »Ich will mir das näher anschauen. Machen Sie nur Ihre Messungen weiter!«
Mit einem Kopfnicken wandte Cooper sich ab. Er schien erleichtert, mit den verwirrenden Daten nichts mehr zu tun zu haben. Gordon verließ das Labor und ging zwei Stockwerke höher zu Zimmer 317, Bernard Carroways Büro. Auf sein Klopfen kam keine Antwort. Er schaute ins Sekretariat hinein und fragte: »Joyce, wo ist Dr. Carroway?« Verwaltungsangestellte wurden
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