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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Störungen nahmen zu, überspülten die Sätze wie ein gischtendes Meer. In den letzten Stakkatosätzen schwang ein Gefühl der Verzweiflung mit.
     
    Penny sah die Veränderung in seinem Gesicht, als er in die Küche kam. Fragend runzelte sie die Stirn.
    »Ich hab’s heute gekriegt.« Er war selbst überrascht, wie locker und selbstverständlich er das sagen konnte.
    »Was gekriegt?«
    »Die Antwort.«
    »Oh. Oh!«
    Gordon reichte ihr eine Fotokopie seiner letzten Laboreintragungen. »Es ist also wirklich so, wie du angenommen hast?«
    »Anscheinend.« Jetzt verspürte er gelassene Selbstsicherheit. Er fühlte sich nicht gedrängt, etwas über sein Resultat zu sagen, fühlte keine Spannung, nicht einmal den Hauch der manischen Begeisterung, die er erwartet hatte. Endlich waren die Fakten da, und sie konnten für sich selbst sprechen.
    »Mein Gott, Gordon.«
    »O ja. Mein Gott, wahrhaftig.«
    Ein Moment der Stille zwischen ihnen. Sie legte die fotokopierte Seite auf den Küchentisch und machte sich wieder daran, ein Huhn auszunehmen. »Das müßte dir aber die Beförderung sichern.«
    »Und wie!« sagte Gordon genüßlich.
    »Und vielleicht…« – sie warf ihm einen Seitenblick zu -»… vielleicht bist du das Zusammenleben wieder wert.« In das Ende des Satzes mischte sich ein bitterer Ton. Ärgerlich preßte Gordon die Lippen zusammen. »Du hast es mir auch nicht erleichtert.«
    »Es gibt Grenzen, Gordon.«
    »Mhm.«
    »Ich bin schließlich nicht dein kleines Ehefrauchen.«
    »O ja, das hast du ja vor einiger Zeit klar genug gemacht!«
    Sie zog die Nase hoch und wischte sich die Hände an einem Papierhandtuch ab. Ihre Lippen wurden bleich, so fest preßte sie sie zusammen. Penny schaltete das Radio ein, ein Chubby-Checker-Lied begann. Gordon trat vor und schaltete es aus. Schweigend blickte sie ihn an. Gordon nahm die fotokopierte Seite, faltete sie sorgfältig zusammen und steckte sie in seine Jackentasche.
    »Ich glaube, ich werde ein wenig lesen«, sagte er.
    »Tu das!«
     
    Während des Nachmittags des 7. November stieg der Störungspegel ständig. Die meiste Zeit wurde das Signal ausgelöscht. Gordon empfing gelegentlich ein, zwei Worte und ein deutliches RA 18 5 36 DEK 30 29.2., das war alles. Die Koordinaten ergaben jetzt einen Sinn. In der Zukunft würden sie präzise fixieren, wo sie scheinbar am Himmel ständen. Der Solarapex war ein Durchschnittswert der Sonnenbewegung. Fünfunddreißig Jahre in der Zukunft würde die Erde in einer Position nahe der Durchschnittsbewegung sein. Gordon verspürte eine innere Entspannung, während er die Störungsschwankungen beobachtete. Jetzt fügten sich alle Teile zusammen. Claudia Zinnes konnte zumindest einen Teil bestätigen. Jetzt war die Frage, wie man die Daten präsentierte, wie man den Fall luftdicht aufbaute, so daß er nicht einfach abgetan werden konnte. Ein forscher Artikel in The Physical Review? Das wäre der normale Weg. Aber bis zur Veröffentlichung in Phys Rev würden mindestens neun Monate vergehen. Er könnte in Physical Review Letters publizieren, aber die Beiträge mußten sehr kurz sein. Wie konnte er alle Details des Experiments und die Botschaften hineinpacken? Gordon lächelte wehmütig. Hier hatte er ein enormes Ergebnis und machte sich ängstlich Gedanken darum, wie es zu präsentieren war. Showgeschäft!
     
    Penny legte Messer und Gabeln auf, Gordon brachte die Teller zum Tisch. Die Schlitze der Schlagläden ließen gelbe Sonnenschwerter hinein. Sie bewegte sich anmutig in diesem Licht. Ihr Gesicht wirkte nachdenklich.
    Einen Moment aßen beide schweigend. »Ich habe heute über deine Experimente nachgedacht«, begann sie zögernd.
    »Ja?«
    »Ich verstehe sie nicht. Die Zeit auf diese Weise zu sehen…«
    »Ich begreife auch nicht, wie das einen Sinn ergeben kann. Aber es ist eine Tatsache.«
    »Und Tatsachen haben das Sagen.«
    »Na, sicher. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß wir nicht die richtige Betrachtungsweise haben. Raum-Zeit kann nicht so funktionieren, wie die Physiker meinen.«
    Sie nickte und schob, immer noch nachdenklich, Kartoffeln über ihren Teller. »Thomas Wolfe. ›Zeit, dunkle Zeit, geheime Zeit, für immer fließend wie ein Fluß.‹ Aus The Web and the Rock.«
    »Habe ich nicht gelesen.«
    »Heute habe ich ein Dobson-Gedicht nachgelesen, als ich an dich dachte.«
    Sie reichte ihm einen Zettel.
    Die Zeit vergeht, so sagtet Ihr?
    O nein! Zeit bleibt, vergänglich sind wir.
    Er lachte. »Ja, das kommt hin.«

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