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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Motel an, aber seine Mutter nahm nicht ab. Penny kam nach Hause, und gemeinsam bereiteten sie das Abendessen vor. Sie hatte einige Probleme mit ihrem Unterricht und mußte noch lesen. Gegen neun Uhr waren sie mit dem Aufräumen fertig. Gordon breitete einen Teil seiner Vorlesungsmaterialien auf dem Eßtisch aus. Etwa um elf war er fertig, trug die Zensuren in sein Buch ein, und erst dann fiel ihm seine Mutter wieder ein. Er rief im Motel an. Sie sagten, sie hätte ein »Bitte nicht stören«-Schild an der Tür und wollte keine Anrufe durchgestellt bekommen. Gordon überlegte, hinüberzugehen und bei ihr anzuklopfen. Aber er war müde und beschloß, sie sofort am nächsten Morgen aufzusuchen.
    Er wachte spät auf. Er aß eine Schüssel Weizenflocken, während er sich die Vorlesungsnotizen zur Klassischen Mechanik anschaute und einige Schritte der Experimente überprüfte, die er durchführen wollte. Als er die Papiere in die Aktentasche steckte, dachte er wieder an den Anruf im Motel. Sie war nicht mehr in ihrem Zimmer.
    Am frühen Nachmittag machte ihm sein Gewissen zu schaffen. Er fuhr früh nach Hause und ging als erstes zum Motel. Niemand antwortete auf sein Klopfen. Er ging zur Rezeption, und der Mann schaute in das kleine Brieffach unter ihrer Zimmernummer. Der Mann fischte einen kleinen weißen Umschlag heraus und gab ihn Gordon. »Dr. Bernstein? Ja. Das hat sie für Sie hinterlassen. Sie ist abgereist.«
    Verwirrt riß Gordon den Umschlag auf. In ihm befand sich ein langer Brief, der die Themen ihres nächtlichen Gesprächs noch detaillierter wiederholte. Sie konnte nicht verstehen, wie ein Sohn, der früher so treu war, seiner Mutter so weh tun konnte. Sie war gekränkt. Was er tat, war moralisch falsch. Sich mit einem Mädchen einzulassen, das so verschieden war, und so zu leben – ein schrecklicher Fehler. Und das für solch ein Mädchen zu tun, ein Shtunk von einem Mädchen! Seine Mutter weinte, seine Mutter war erfüllt von Kummer über ihn. Aber seine Mutter wußte, was für ein Junge er war. So schnell würde er seine Meinung nicht ändern. Deshalb wollte sie ihn in Ruhe lassen. Sie wollte, daß er von selbst wieder zu Sinnen kam. Ihr würde es schon gutgehen. Sie wollte nach Los Angeles, ihre Cousine Hazel besuchen; Hazel, die drei prächtige Kinder hatte und die sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte. Von Los Angeles würde sie zurück nach New York fliegen. Vielleicht könnte sie ihn in einigen Monaten noch einmal besuchen. Oder noch besser, er käme einige Zeit nach Hause, besuchte seine Freunde in Columbia. Und die Leute in der Nachbarschaft. Sie wären hocherfreut, ihn wiederzusehen, den Glückspilz des Viertels. Bis dahin würde sie schreiben und hoffen. Eine Mutter hofft immer.
    Gordon steckte den Brief in die Tasche und ging nach Hause. Er zeigte ihn Penny. Sie sprachen eine Zeitlang darüber, und dann beschloß er, ihn im Hinterkopf zu behalten und sich später wieder um seine Mutter zu kümmern. Mit der Zeit kurierten sich solche Dinge gewöhnlich von selbst.

 
– 9 –
1998
     
     
    »Wo, zum Teufel, ist er?« explodierte Renfrew. Mit schnellen Schritten durchmaß er sein Büro, fünf Schritte hin, fünf Schritte zurück.
    Stumm beobachtete Gregory Markham ihn. Er hatte an diesem Morgen über eine halbe Stunde meditiert und fühlte sich entspannt und konzentriert zugleich. Er blickte an Renfrew vorbei zu den großen Fenstern hinaus, wo das Cav-Gebäude in seinem ganzen Luxus prangte. Die weiten Felder dahinter, eben und still, strahlten im leuchtenden Grün des ersten Sommerwachstums. Lautlos glitten Radfahrer über den Coton-Fußweg, zusammengeschnürte Bündel auf dem Gepäckträger. Die Morgenluft war schon recht warm und lag wie ein Gewicht auf der Landschaft. Blau verhüllt waren die fernen Türme von Cambridge, blau eingefaßt war die gelbe Sonne über der Stadt. Dies war die glückselige Bruchstelle des Tages, an der eine unendliche Zeitspanne vor einem zu liegen schien, dachte Markham; im Meer stiller Minuten, das sich vor ihm erstreckte, schien alles verwirklichbar zu sein.
    Renfrew wanderte immer noch hin und her. Markham raffte sich zu der Frage auf: »Wann wollte er hier sein?«
    »Um zehn, verflixt noch mal! Er ist schon vor Stunden aufgebrochen. Ich mußte sein Büro wegen einer anderen Sache anrufen und habe gefragt, ob er noch da sei. Sie sagten mir, er sei schon in aller Frühe, noch vor der Rush-hour, losgefahren. Wo steckt er nur?«
    »Es ist erst zehn nach«,

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