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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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nach den Weinprodukten der Firma Concord schmeckte. Jetzt hielt er stets einen Vorrat von Krug und Martini in einem Schrank und konnte die Bemerkungen über duftige Buketts und ausgebaute Weine verstehen, obwohl er sich in Wahrheit nicht sicher war, was all diese Ausdrücke bedeuteten.
    Seine Mutter kam aus der Küche, richtete den Tisch mit schnellen, routinierten Bewegungen und fragte nach dem Bad. Gordon zeigte ihr den Weg. Als er sich wieder der Zeremonie des Entkorkens zuwandte, fiel sein Blick auf Penny, die zu grinsen begann. Er grinste zurück. Sollte ihr Enovid eine Flagge der Unabhängigkeit sein.
    Mrs. Bernstein war ruhiger, als sie zurückkam. Ihr Entengang war ausgeprägter denn je, ihr unvermeidliches schwarzes Kleid bauschte sich, als sie durchs Zimmer watschelte. Sie trug einen verwirrten Gesichtsausdruck. Das Essen begann und nahm seinen Verlauf, ohne daß viel Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Vetter Irv ging irgendwo in Massachusetts in die Textilbranche, Uncle Herb machte wie gewöhnlich schnelles Geld, und seine Schwester – hier legte seine Mutter eine Pause ein, als fiele ihr plötzlich ein, daß sie dieses Thema nicht anschneiden konnte – rannte immer noch mit ein paar Verrückten im Village herum. Gordon lächelte. Seine Schwester, zwei Jahre älter und viel, viel mutiger, stand auf eigenen Füßen. Er machte eine Bemerkung über ihre Kunst und daß es einige Zeit dauerte, damit klarzukommen, und seine Mutter wandte sich an Penny und fragte: »Ich nehme an, Sie interessieren sich auch für Kunst.«
    »O ja«, bestätigte Penny. »Europäische Literatur.«
    »Und was halten Sie von Mr. Roths neuem Buch?«
    »Oh«, reagierte Penny, die offenbar Zeit herausschinden wollte. »Ich glaube, ich habe es noch nicht zu Ende gelesen.«
    »Das sollten Sie aber. Es würde Ihnen helfen, Gordon viel besser zu verstehen.«
    »Hmm?« schaltete Gordon sich ein. »Was meinst du damit?«
    »Nun, mein Lieber«, antwortete Mrs. Bernstein langsam und verständnisvoll, »es könnte ihr einige Hinweise auf… nun… ich glaube, Mr. Roth ist – das meinen Sie doch auch, Penny? – ein sehr scharfsinniger Schreiber.«
    Gordon lächelte und fragte sich dabei, ob er sich ein lautes Lachen erlauben konnte. Doch bevor er etwas sagen konnte, murmelte Penny: »Wenn man bedenkt, daß Faulkner im Juli gestorben ist und Hemingway im letzten Jahr, dann gehört Roth wohl irgendwo zwischen die besten hundert amerikanischen Schriftsteller, aber…«
    »O nein, sie haben über die Vergangenheit geschrieben, Penny«, sagte Mrs. Bernstein unnachgiebig. »Sein neues Buch, Letting Go, ist voller…«
    An diesem Punkt lehnte Gordon sich zurück und ließ seine Gedanken treiben. Seine Mutter war wieder bei ihrer Theorie über den Aufstieg und die hervorragende Stellung jüdischer Literatur, und Penny reagierte so präzise, wie er es hätte voraussagen können. Die Theorien seiner Mutter verwirrten sich schnell, Gedanken und Fakten verwischten sich. In Penny hatte sie jedoch einen störrischen Opponenten, der nicht um des lieben Friedens willen einfach nachgab. Er konnte die zunehmende Spannung zwischen den beiden spüren und konnte nichts tun, diese Entwicklung aufzuhalten. Es ging eigentlich gar nicht um Literaturtheorie, sondern um das Thema Shiksa gegen Mutterliebe. Er beobachtete, wie das Gesicht seiner Mutter sich anspannte. Ihre Lachfalten, in Wirklichkeit durch verkniffenes Blinzeln erzeugt, wurden tiefer. Er hätte sich einmischen können, wußte aber, wie es dann weiterging: Seine Stimme würde, ohne daß er es bemerkte, immer höher werden, bis er schließlich weinerlich wie ein Junge spräche, der gerade das Bar Mitzvah hinter sich hatte. Jedesmal löste seine Mutter diese Reaktion in ihm aus. Diesmal würde er ihr nicht ins Messer laufen.
    Ihre Stimmen wurden lauter. Penny zitierte Bücher, Schriftsteller; seine Mutter tat sie ab, sie war überzeugt davon, einige Lehrgänge in der Abendschule hätten sie zu gewichtigerer Urteilskraft befähigt. Gordon beendete seine Mahlzeit, nippte an seinem Wein, blickte zur Decke und sagte schließlich: »Mutter, du mußt müde sein. Die lange Reise und der Zeitunterschied…«
    Mitten im Satz brach Mrs. Bernstein ab und starrte ihn an, als wäre sie gerade aus der Trance erwacht. »Wir hatten doch nur eine Diskussion, mein Junge, du mußt nicht nervös werden.« Sie lächelte. Penny gelang es, ihrem Gesicht einen Ausdruck von Müdigkeit zu geben. Mrs. Bernstein fingerte in ihrer

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