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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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andere Variante von mir – nichts von alledem machte einen Unterschied hinsichtlich der Art, wie ich mich fühlte, ihn verloren zu haben.
    Meine Gedanken zerflossen in halb zusammenhängende Fragmente – ich
    kämpfte, die Augen offenzuhalten, weil ich befürchtete, nicht mehr aufzuwachen –
    doch erneut schlief ich ein, überwältigt von Verwirrung und Kummer.
    Als mein Name in dem seltsamen, flüssig-gutturalen Tonfall der Morlocks gerufen wurde, wachte ich auf. Die Luft war so schlecht wie zuvor, und ein neues Pulsieren, das durch die Hitze und den Sauerstoffmangel verursacht wurde, wollte sich neben den Überresten meiner früheren Beschwerden noch Einlaß in den Kopf verschaffen.
    Nebogipfels zerschlagenes Gesicht war dem Waldesdunkel zugewandt. »Schau
    dich mal um«, verlangte er.
    Über uns lastete das Grün genauso drückend wie zuvor – und doch schien sich
    seine Struktur verändert zu haben. Ich bemerkte, daß ich – wenn ich mich bemühte
    – die Rückbildung einzelner Blätter an den zahlreichen Ästen mitverfolgen konnte.
    Jedes Blatt verkleinerte sich, kroch in sich zusammen zu einer Knospe und verschwand im Holz in weniger als einer Sekunde, doch selbst...
    »Wir werden langsamer«, keuchte ich.
    »Ja. Ich glaube, daß das Plattnerit seine Energie verliert.«
    Ich stieß ein Dankgebet aus – denn ich hatte wieder soviel Kraft gefunden, daß ich mir nicht mehr wünschte, auf einer atmosphärelosen, felsigen Ebene der jungfräulichen Erde zu zerschellen!
    »Weißt du, wo wir sind?«
    »Irgendwo im Erdzeitalter des Paläozän. Wir sind zwanzig Stunden unterwegs
    gewesen. Und jetzt befinden wir uns vielleicht fünfzig Millionen Jahre vor der Gegenwart...«
    »Wessen Gegenwart? – meiner von 1891, oder deiner?«
    Er berührte das verkrustete Blut, das noch immer sein Gesicht bedeckte. »Bei einem solchen zeitlichen Maßstab ist das kaum noch von Belang.«
    Die Rückentwicklung der Blätter verlief jetzt ganz langsam – wurde fast schon statisch. Ich bemerkte, daß in gelegentlichen Schüben eine tiefere Dunkelheit aufflackerte, die sich über die vorherrschende grüne Düsternis legte. »Ich kann schon zwischen Tag und Nacht unterscheiden«, sagte ich. »Wir werden wirklich langsamer.«
    »Ja.« Der Morlock saß mir auf der Bank gegenüber und packte mit seinen langen Fingern ihre Kante. Ich fragte mich, ob er sich fürchtete – er hätte auch allen Grund dazu gehabt! Ich glaubte, eine Bewegung unter dem Fahrzeugboden wahrzunehmen, eine leichte konvexe Ausbeulung unter Nebogipfels Bank.
    »Was sollen wir tun?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir können nur der Dinge harren, die da kommen. Wir haben die Lage nicht unter Kontrolle...«
    Der Übergang zwischen Tag und Nacht verlangsamte sich weiter, bis er zu einem stetigen Pulsieren um uns herum wurde – wie ein Herzschlag. Das Fahrzeug rat-terte und bockte und wurde von so wuchtigen Schlägen hin und her geworfen, daß die Schweißnähte platzten und sich die Stahlplatten voneinander lösten.
    Plötzlich begriff ich.
    Wir waren in einen Wald aus dicht beieinanderstehenden Bäumen geraten, die
    unser Fahrzeug zwischen sich zu zermalmen drohten, während Äste wie Arme von Riesen nach uns griffen und wieder zurückgezogen wurden.
    »Sieh nach draußen!« schrie ich, streckte einen Arm aus und packte Nebogipfel an den Schultern. Er wehrte sich nicht. Ich hob ihn mit einer Leichtigkeit an, als ob er ein knochiges, haariges Kind wäre, und stolperte zurück...
    ...wie aus dem Nichts stand plötzlich ein Baumstamm mitten im Fahrzeug. Die
    Stahlplatten zerknitterten, als ob sie aus Papier bestehen würden.
    Mit Nebogipfel im Arm fiel ich nach hinten gegen die übriggebliebene Bank. Mit einem markerschütterndem Krachen flog das Fahrzeug auseinander, und Trümmer
    des Kabinendachs stürzten auf uns herab.
    Der Wechsel zwischen Tag und Nacht verlangsamte sich und wurde prononcierter. Der Baumstamm wurde dünner; seine mächtigen Äste bildeten sich zurück und wurden zu Zweiglein.
    Ich ließ Nebogipfel los, und der Morlock und ich stürzten inmitten eines Hagels aus Metall und Holz auf den weichen, feuchten Erdboden.
    V I E R T E S B U C H
    DAS MEER IM PALÄOZÄN

Diatryma gigantica
    Der mächtige Stamm, der unserer langen Reise ein Ende gemacht hatte, war zu
    einem Schößling geschrumpft, der zwischen den verstreuten Trümmern unseres
    Zeitfahrzeugs aufwuchs, kaum einen Fuß hoch und unschuldig.
    Ich lag auf dem Rücken und schaute zu den Baumwipfeln

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