Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
scharfe Klingen herzustellen. Meine Hände fühlten sich
    plump und unbeholfen an. Früher hatte ich immer über die präzise gearbeiteten neolithischen Pfeilspitzen und Axtklingen gestaunt, die in unseren Museen in Glasvitrinen ausgestellt waren, aber erst als ich selbst versuchte, ein solches Werkzeug anzufertigen, erkannte ich, welche beachtlichen Fertigkeiten und handwerkliches Geschick unsere Ahnen besessen hatten.
    Schließlich arbeitete ich eine Klinge heraus, mit der ich zufrieden war. Ich klemmte sie in einen kurzen, gespaltenen Holzstiel, umwickelte ihn mit Lederstrei-fen und machte mich frohen Mutes auf in den Wald.
    Keine Viertelstunde später kehrte ich mit den Splittern meiner Axtklinge in der Hand zurück; sie war schon beim zweiten Schlag zersprungen und hatte kaum die Rinde des Baumes angeritzt!
    Nach weiterem Probieren bekam ich es dann endlich doch noch hin, und bald
    hackte ich mich durch ein Waldstück mit jungen, geraden Bäumen.
    Wir bezogen ein festes Lager am Strand, doch ausreichend weit von der Hoch—
    wassermarke entfernt und außerhalb des Überschwemmungsgebietes unseres
    Trinkwasserbachs. Es dauerte eine Weile, bis ich mit der Tiefe der für die Pfähle ausgehobenen Vertiefungen zufrieden war; doch dann hatte ich ein Rechteck aus sicher fixierten, senkrechten Pfosten errichtet und eine Plattform aus dünnen Stämmen, die sich etwa fünf Fuß über den Strand erhob. Diese Plattform war zwar alles andere als eben, und ich nahm mir vor, mir eines Tages fundiertere Zimmer-mannskenntnisse anzueignen; als ich mich aber eines Nachts darauflegte, wirkte der Untergrund sicher und solide, und der Sicherheitsabstand war so groß, daß wir uns jenseits der Gefahren des Strandes befanden. Fast wünschte ich mir wieder ein Unwetter herbei, so daß sich meine neue Konstruktion bewähren konnte!
    Über eine kleine Leiter, die ich ihm gebaut hatte, schleppte Nebogipfel seine Fragmente des Zeit-Fahrzeugs auf die Plattform und widmete sich dort verbissen ihrer Rekonstruktion.
    Als ich eines Tages durch den Wald streifte, bemerkte ich ein Paar leuchtender Augen, die mich unter einem niedrigen Ast studierten.
    Ich verlangsamte meinen Gang, darauf bedacht, keine hektischen Bewegungen
    zu machen, und nahm den Bogen vom Rücken.
    Das kleine Wesen war vier Zoll lang und sah aus wie ein Miniatur-Lemure.
    Schwanz und Gesicht hätten von einem Nagetier stammen können, wobei die vorderen Nagezähne deutlich zu sehen waren. Entweder war es so intelligent, daß es durch seine Bewegungslosigkeit meine Aufmerksamkeit von sich ablenken wollte
    – oder so dumm, daß es auf überhaupt keine Gefahr reagierte.
    Es dauerte nur einen Augenblick, die Sehne in die Kerbe eines Pfeils zu legen und ihn abzuschießen.
    Mit zunehmender Praxis hatte sich meine Kompetenz als Jäger und Fallensteller verbessert, und meine Schlingen und Fallen wiesen mittlerweile eine ordentliche Erfolgsquote auf; nicht so jedoch mein Umgang mit Pfeil und Bogen. Die Konstruktion meiner Pfeile war zwar an sich gut genug, aber ich konnte nie Holz mit der richtigen Flexibilität für die Bogen finden. Und überhaupt, bevor meine plumpen Finger den Pfeil erst aufgelegt hatten, konnten die durch meine Stümperei be-lustigten beweglichen Ziele in aller Ruhe in Deckung gehen.
    Nicht so dieser kleine Bursche! Er beobachtete bloß mit müder Neugier, wie
    mein krummer Pfeil durch die Luft auf ihn zutaumelte. Nun hatte ich endlich mal etwas getroffen, und die Feuersteinspitze nagelte den kleinen Körper an den Baumstamm.
    Stolz auf meine Trophäe kehrte ich zu Nebogipfel zurück, denn Säugetiere waren nützlich für uns, nicht nur wegen ihres Fleisches, sondern auch wegen der Pelze, Zähne, des Fetts und der Knochen. Nebogipfel musterte den Kadaver des kleinen Nagetiers durch seine Maske.
    »Vielleicht sollte ich noch mehr davon besorgen«, regte ich an. »Die kleine
    Kreatur schien bis zuletzt überhaupt nicht zu begreifen, in welcher Gefahr sie sich befand. Armes Vieh!«
    »Weißt du, was das ist?«
    »Sag's mir.«
    »Ich glaube, daß es ein Purgatorius ist.«
    »Und was hat es damit auf sich...?«
    »Es ist ein Primat: der älteste überhaupt bekannte. Ein ferner Vorfahr von uns.«
    Eine Spur Belustigung war in seiner Stimme.
    »Ich dachte, das wäre endlich vorbei«, fluchte ich. »Aber sogar im Paläozän trifft man noch auf Verwandte!« Ich studierte den winzigen Kadaver. »Da haben wir
    hier also den Vorfahren der Affen und Menschen, und der Morlocks!

Weitere Kostenlose Bücher