Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
nichts Exotischeres darstellte als die Kreuzung von Gunnersbury Avenue und Chiswick High Road – doch einen
    ›unenglischeren‹ Anblick hätte man sich schwerlich vorstellen können.
    Während sich die Tage so hinzogen in dieser schwülen, lebensstrotzenden Landschaft, erschienen mir die Erinnerungen an das England von 1891 zunehmend ferner und bedeutungsloser. Ich war vollauf ausgelastet in meinen Tätigkeiten als Architekt, Jäger und Sammler; und die Badetemperatur der Sonne und die kühle See vermittelten mir in ihrer Gesamtheit ein Gefühl der Gesundheit, Stärke und Schärfe der Sinne, die ich seit meiner Kindheit nicht mehr erlebt hatte.
    Ich beschloß, dem Denken abzuschwören; es gab nur zwei denkende Wesen in diesem reichhaltigen Sortiment der Lebensformen des Paläozän, und ich glaubte nicht, daß mir mein Verstand fortan noch von großem Nutzen sein konnte, außer meine Lebenserwartung etwas zu verlängern.
    Jetzt war es an der Zeit, daß das Herz und der Körper zu ihrem Recht kamen.
    Und je mehr Tage vergingen, desto schärfer wurde mein Sinn für die Schönheit dieser Welt und die Unermeßlichkeit der Zeit – und das Bewußtsein meiner eigenen Kleinheit und der Geringfügigkeit meiner Sorgen vor diesem großen multiplen Panorama der Geschichte. Ich war nicht mehr wichtig, nicht einmal mir selbst; und diese Erkenntnis war wie eine Befreiung für die Seele.
    Nach einer gewissen Zeit bedrückte mich nicht einmal mehr der Tod von Moses.

Pristichampus
    Urplötzlich wurde ich durch Nebogipfels Schreien aufgeweckt. Eine erhobene
    Morlock-Stimme klingt wie ein Gurgeln: komisch, aber recht unheimlich.
    Ich richtete mich in der kühlen Dunkelheit auf; und für einen Moment glaubte ich, wieder zuhause in der Petersham Road in meinem Bett zu liegen, doch die Gerüche und Lichtverhältnisse des nächtlichen Paläozäns belehrten mich eines Besseren.
    Ich stieg von meiner Pritsche und sprang von der Hüttenplattform in den Sand.
    Die Nacht war mondlos, und die letzten Sterne verschwanden vom Himmel, als die Sonne aufging. Das Meer rollte behäbig, und die Wand des Waldes stand schwarz und ruhig.
    Inmitten dieser kühlen, blau gesättigten Stille kam der Morlock über den Strand auf mich zugehumpelt. Er hatte seine Krücke verloren und konnte anscheinend
    kaum aufrecht stehen, geschweige denn alleine gehen. Sein Haar war zerzaust und wirr, und er hatte seine Maske verloren; sogar während er rannte, konnte ich erkennen, daß er sein großes, empfindliches Auge mit der Hand bedecken mußte.
    Und er wurde gejagt...
    Es war vielleicht zehn Fuß lang und ähnelte in seiner allgemeinen Erscheinungsform einem Krokodil, aber seine Beine waren lang und elastisch und verliehen ihm einen hohen, pferdeähnlichen Gang, ganz im Gegensatz zu der geduckten Fortbe-wegung der Krokodile meiner Zeit – diese Bestie war offensichtlich zum Rennen und Jagen geschaffen. Ihre Schlitzaugen waren auf den Morlock fixiert, und als sie das Maul öffnete, sah ich Reihen sägezahnartiger Beißer.
    Diese Erscheinung befand sich nur noch wenige Fuß hinter Nebogipfel!
    Ich schrie und rannte mit wedelnden Armen auf die kleine Plattform, aber noch während ich das tat, wußte ich, daß es aus war mit Nebogipfel. Ich trauerte um den verlorenen Morlock, aber – ich schäme mich, das zu sagen – meine ersten Gedanken galten mir selbst, denn nach seinem Tod würde ich allein sein, hier in diesem primitiven Paläozän...
    Und in diesem Moment ertönte mit frappierender Deutlichkeit ein Gewehrschuß
    am Waldrand.
    Die erste Kugel verfehlte das Vieh; aber es reichte, um diesen großen Kopf zu einer Drehung zu veranlassen und den Lauf dieser mächtigen Beine zu verlangsamen.
    Der Morlock stürzte und fiel mit ausgestreckten Gliedern in den Sand; aber er stützte sich auf die Ellbogen und kroch auf dem Bauch weiter.
    Dann fiel ein zweiter Schuß, und ein dritter. Als die Kugeln in seinen Körper eindrangen, ging ein Rucken durch das Krokodil. Es schaute trotzig zum Wald
    hinüber, öffnete sein sägezahnarmiertes Maul und stieß ein Brüllen aus, das wie Donner von den Bäumen widerhallte. Dann machte es sich mit großen, entschlos-senen Schritten auf die Suche nach der Quelle dieser unerwarteten Stiche.
    Ein Mann – klein, untersetzt und mit einer dunklen Uniform – tauchte am Waldrand auf. Erneut hob er das Gewehr, legte auf das Krokodil an und erwartete ruhig die Annäherung der Bestie.
    Ich erreichte Nebogipfel und riß ihn auf die Füße; er

Weitere Kostenlose Bücher