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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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zusammengestellte Mischung aus Fragmenten verschiedener
    Abschnitte der Menschheitsgeschichte! Aber trotzdem glaubte ich, ein bestimmtes Muster darin zu erkennen.
    Ich überlegte, was mich und die Bewohner dieser Welt trennen mochte. Seit der Gründung Alt-Londons war die Entwicklung fünfzig Millionen Jahre weit fortgeschritten – und übertraf damit die evolutionäre Lücke zwischen mir und dem Morlock um das mehr als Hundertfache. Über solch unvorstellbare Zeitabschnitte wird die Zeit komprimiert – als ob Schichten von Sedimentgestein von den darüberliegenden Gesteinsmassen zusammengedrückt würden – bis die Distanzen zwischen
    mir und Gaius Julius Cäsar, oder sogar zwischen dem ersten Menschen auf Erden und mir – Perioden, die aus meiner Perspektive so immens wirkten – praktisch auf Null zusammenschrumpften.
    In Anbetracht all dessen, dachte ich, hatten meine unsichtbaren Gastgeber bei der Auswahl der Konditionen, die mir zusagen könnten, wirklich gut getroffen.
    Auf jeden Fall schien es, daß meine Erwartungen selbst nach all den bisherigen Erfahrungen noch auf mein eigenes Jahrhundert und einen kleinen Ausschnitt des Globus fixiert waren! Das war eine heilsame Erkenntnis – das Bewußtsein meiner eigenen Kleinheit –, und ich versank für einige Zeit in Kontemplation. Aber prin-zipiell neige ich nicht zur Nachdenklichkeit, und bald echauffierte ich mich wieder über meine restriktive Situation. Mochte es auch undankbar sein, aber ich wollte meine Freiheit zurück! – obwohl ich nicht wußte, wie ich das hätte bewerkstelligen können.
    Ich schätze, daß ich mich vielleicht zwei Wochen in diesem Käfig befand. Meine Freilassung erfolgte ebenso plötzlich wie unerwartet.
    Als ich aufwachte, war es dunkel. Zuerst konnte ich nicht erkennen, was meinen Schlaf gestört hatte – und dann hörte ich es: ein leises Geräusch, ein sanftes, entferntes Atmen. Es war ein sehr leises Geräusch – fast nicht wahrzunehmen, und ich wußte, daß es mich nicht aufgeweckt hätte, wenn es in den frühen Morgenstunden in den Straßen Richmonds zu hören gewesen wäre. Aber hier waren meine Sinne durch die lange Isolation geschärft worden: hier hatte ich vierzehn Tage kein Ge-räusch gehört – abgesehen von dem leisen Zischen des Dampfbades –, das nicht von mir selbst gekommen wäre.
    Hastig setzte ich mir die Brille auf die Nase. Eine Lichtflut blendete mich, und ich blinzelte Tränen weg, begierig zu sehen, was los war.
    Eine Tür hatte sich geöffnet, in der Wand meiner Zelle. Sie war rund, mit einer vielleicht sechs Zoll hohen Schwelle, und sie ging durch eines dieser Pseudo-Fenster. Die Brille bildete ein sanftes Glühen ab, blaß wie Mondlicht, das durch diese Öffnung in meinen Raum drang.
    Ich stand auf, zog mein Hemd an – ich hatte mich nämlich daran gewöhnt, auf
    dem als Kissen zusammengerollten Hemd zu schlafen – und ging auf den Türrahmen zu. Dieses leise Atmen verstärkte sich, und – als Oberton, wie das Plätschern eines Baches eine Brise überlagert – vernahm ich das fließende Gurgeln einer Stimme: ein fast menschlicher Klang, eine Stimme, die ich sofort erkannte!
    Der Flur führte zu einer anderen Kammer, die ungefähr die Größe und Form
    meiner eigenen hatte. Aber hier gab es keine falschen Fensterrahmen, keine stümperhaften Dekorationsversuche, keinen Sand auf dem Fußboden; statt dessen waren die Wände kahl, von einem schlichten metallischen Grau, und es gab einige mit Rollos bedeckte Fenster und eine Tür mit einem einfachen Griff. Es gab keine Mö-
    bel, und der Raum wurde von einem einzigen, riesigen Artefakt dominiert: es war die Pyramiden-Maschine (oder eine mit ihr identische), die ich zuletzt gesehen hatte, als sie ihre langsame, schmerzhafte Wanderung über meinen Körper begonnen hatte. Wie ich schon geschildert habe, war sie etwa mannshoch und an der Basis genauso breit; ihre Oberfläche schien metallisch zu sein, hatte aber eine komplexe, changierende Struktur. Wenn man sich eine sechs Fuß hohe Pyramiden-konstruktion vorstellt, auf deren Oberfläche verschwommene metallische Soldaten-Ameisen umherwuseln, weiß man ungefähr, wovon ich rede.
    Aber dieses Monstrum fesselte weniger meine Aufmerksamkeit; denn – die Gestalt, die direkt davorstand und offensichtlich mit einer Art Objektiv in das Innere der Pyramide schaute – war Nebogipfel.
    Ich stolperte vorwärts und breitete voller Freude die Arme aus. Aber der Morlock stand nur reglos da und reagierte

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