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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Evolution ihres Kosmos offensichtlich so im Griff, daß derartige Katastrophen ausgeschlossen waren. Ich hatte gelernt, daß Raum und Zeit selbst dynamische, beeinflußbare Entitäten sind. Die Beobachter manipulierten die Krümmungen, Verdrehungen und Verwerfungen der Raumzeit
    selbst, um ihr Ziel eines stabilen Kosmos zu realisieren.
    Die mit ihrem uralten Wissen ausgestatteten Beobachter kultivierten dieses Universum – genauso, wie man einen Garten hegt, um ihn vor der Verwilderung zu
    bewahren. Und diese in das sämige kosmische Chaos gemeißelten zylindrischen, stabförmigen und flachen Galaxien waren nur der offensichtlichste Beleg für diese Kultivierung.
    Natürlich dürfte diese Pflege niemals aufhören, wenn die Lebensfähigkeit dieses Universums erhalten werden sollte – und, so überlegte ich, wenn das Universum ewig währte, konnte es auch keinen Anfang haben. Dieser Gedanke beunruhigte mich kurz: denn es war ein Paradoxon, eine Kausalschleife. Die Existenz von Leben war erforderlich, um hier die Voraussetzungen für die Existenz von Leben zu schaffen...
    Aber bald verdrängte ich solche konfusen Gedanken! Ich kam zu dem Schluß,
    daß ich in viel zu engen Bahnen dachte: ich berücksichtigte nämlich nicht die Infinität der Dinge. Weil dieses Universum unendlich alt war – und das Leben hier schon unendlich lange existierte – gab es auch keinen Beginn des Zyklus, mit dem das Leben die Bedingungen für seine eigene Existenz sicherte. Das Leben existierte hier, weil das Universum lebensfähig war; und das Universum war lebensfä-
    hig, weil hier Leben existierte, um die Bedingungen dafür zu schaffen... und so fort, eine infinite Regression, ohne Anfang – und ohne Paradoxie!
    Ich empfand Heiterkeit über meine Konfusion. Es hatte ganz den Anschein, als ob es noch einige Zeit dauern würde, bis ich mir die Bedeutung der Begriffe Unendlichkeit und Ewigkeit voll erschlossen hatte!

Der Triumph des Geistes
    Mein Beobachter hielt an und rotierte im Raum wie ein fleischiger Ballon. Diese großen Augen schwenkten auf mich ein, dunkel, riesig, wobei das Leuchten des lichtüberfluteten Himmels untertassengroß von den Pupillen reflektiert wurde; schließlich hatte ich den Eindruck, als ob meine Welt völlig von diesem immensen, zwingenden Blick ausgefüllt sei und alles andere ausgeblendet wurde – selbst der feurige Himmel...
    Aber dann schien der Beobachter zu schmelzen. Die verstreuten, entfernten Konstellationen, die schaumige galaktische Struktur – sogar das Lodern des brennenden Himmels – ich sah nichts mehr davon – oder vielmehr interpretierte ich diese Dinge durchaus noch als Aspekte der Realität, aber eben nur am Rande. Wenn man sich vorstellt, den Blick auf eine Fensterscheibe vor sich zu fixieren – und dann bewußt die Muskulatur des Auges entspannt, sich auf die Landschaft draußen konzentriert, so daß der Schmutz an diesem Fenster aus dem Bewußtsein verschwindet
    – dann kann man in etwa den von mir geschilderten Effekt nacherleben.
    Natürlich wurde die Veränderung meiner Wahrnehmung aber durch nichts weniger als die Augenmuskulatur verursacht, und bei dieser Verschiebung der Perspektive war noch weit mehr als nur die Brennweite involviert.
    Ich bekam – oder zumindest glaubte ich das – Einblick in die Strukturen der Natur.
    Ich sah Atome: Lichtpunkte, wie kleine Sterne, die den Raum in einer mich umfassenden, endlosen Konfiguration ausfüllten – ich sah das alles so deutlich, wie ein Arzt vielleicht das Rippenmuster unter der Haut eines Patienten untersucht. Die Atome flitzten funkelnd umher; sie rotierten um ihre kleinen Achsen und wurden von einem komplexen Netzwerk aus Lichtfäden miteinander verbunden – oder so
    kam es mir wenigstens vor; ich realisierte, daß ich wohl irgendeiner graphischen Präsentation elektrischer, magnetischer, gravitationaler und sonstiger Kräfte bei-wohnte. Es schien, als ob eine Art atomares Uhrwerk das Universum ausfüllte –
    und ich erkannte, daß die ganze Sache dynamisch war, wobei sich die Muster der Verknüpfungen und Atome ständig verschoben.
    Die Bedeutung dieser bizarren Vision war mir sofort klar, denn hier sah ich eine Fortsetzung der Regelmäßigkeit, die ich bereits bei den Galaxien und Sternen beobachtet hatte. Ich konnte – indem ich in jeden Grashalm, jedes einzelne Atom eindrang – Bedeutung und Struktur erkennen. Die Orientierung eines jeden Atoms, die Richtung seines Spins und die Bindungen mit seinen Nachbarn hatte

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