Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
einen bestimmten Sinn. Es war, als ob das Universum, in seiner Gesamtheit, sich in eine Art Bibliothek verwandelt hätte, in der das kollektive Wissen dieser alten Variante der Menschheit gespeichert war; jedes Materiepartikel, bis hinunter zum letzten Strohhalm, war offensichtlich katalogisiert und nutzbar gemacht worden... Genauso, wie Nebogipfel vorhergesagt hatte!
    Aber dieses Arrangement war mehr als nur eine Bibliothek – mehr als eine passive Kollektion verstaubter Daten – denn das alles vermittelte mir einen Eindruck von Lebendigkeit und Aktivität. Es war, als ob diese riesigen Materieballungen mit Bewußtsein imprägniert worden wären.
    Intelligenz erfüllte dieses Universum und durchtränkte seine ganze Struktur! –
    Ich glaubte sehen zu können, wie Gedanken und Bewußtsein in großen Wellen
    über dieses Universallexikon brandeten. Der Maßstab dieser ganzen Angelegenheit erstaunte mich – ihre grenzenlose Natur überstieg mein Fassungsvermögen – im Vergleich hierzu war meine eigene Spezies auf die äußere Schale eines unbedeu-tenden Planeten beschränkt gewesen, die Morlocks auf ihre Sphäre; und selbst die Konstrukteure hatten nur eine Galaxie kontrolliert – ein einziges Sternen-System von vielen Millionen...
    Hier jedoch war die Intelligenz unumschränkter Herrscher – eine Infinität.
    Jetzt begriff ich – ich sah es nämlich selbst – die Bedeutung und den Sinn der Unendlichkeit und des ewigen Lebens.
    Das Universum war unendlich alt und unendlich weit; und auch die Intelligenz war unendlich alt. Der Geist hatte sich jegliche Materie und Kräfte Untertan gemacht und einen unendlichen Betrag an Informationen gespeichert, einschließlich aller Wissenskomponenten, die man sich nur vorstellen konnte.
    Der Geist war hier allwissend, allmächtig und allgegenwärtig. Die Konstrukteure hatten durch ihre kühne Reise zum Anfang der Zeit ihr Ideal verwirklicht, die Endlichkeit transzendiert und die Unendlichkeit kolonisiert.
    Die Atome und Kräfte traten in den Hintergrund meiner aktuellen Aufmerksamkeit, und mein Blickfeld füllte sich erneut mit dem endlosen Licht und den Sternenkonstellationen dieses Kosmos. Der mich begleitende Beobachter war jetzt verschwunden, und ich hing allein hier, körperlos und langsam rotierend. Das Sternenlicht hüllte mich ein, tief und unendlich: ich wurde mir der Bedeutungslosigkeit der Dinge bewußt, der Kleinheit meiner Person, der Irrelevanz meiner nichtigen Sorgen. Ich begriff, daß es in einem unendlichen und ewigen Universum keinen Mittelpunkt geben kann; es kann keinen Anfang und kein Ende geben. Jedes Ereignis, jeder Punkt, ist aufgrund der Unendlichkeit des Raums, in dem sie positioniert sind, mit allen anderen identisch... In einem infiniten Universum war ich infi-nitesimal geworden...
    Ich hatte noch nie eine poetische Ader gehabt, aber nun erinnerte ich mich an einen Vers von Shelley: wie ›Leben, Leben wie eine Kuppel aus buntem Glas/ das weiße Leuchten der Ewigkeit befleckt...‹ usw. Nun, ich hatte jetzt mit dem Leben abgeschlossen; die körperliche Hülle, die seichte Illusion der Materie selbst – all das war mir genommen worden, vielleicht für immer, in diesem weißen Leuchten, von dem Shelley sprach.
    Für eine Weile befand ich mich im Zustand eines ganz besonderen Friedens. Als ich zum erstenmal beobachtet hatte, wie meine Zeitmaschine die Entwicklung der Geschichte beeinflußte, war ich zu der Überzeugung gelangt, daß diese Erfindung ein Gerät des Absolut Bösen war, wegen der willkürlichen Vernichtung und Verzerrung von Historien – wegen der Eliminierung von Millionen ungeborener Seelen, die durch eine leichte Bewegung meiner Steuerhebel ausgelöscht wurden.
    Doch jetzt erkannte ich schließlich, daß die Zeitmaschine eben keine Historien zerstört hatte; vielmehr hatte sie welche erschaffen. Alle möglichen Historien existieren in der größeren Multiplizität und sind in einem endlosen Katalog des ›Was-Sein-Kann‹ zusammengestellt. Jede Historie, die möglich war, mit ihrem ganzen Überbau aus Verstand, Liebe und Hoffnung, existierte irgendwo in der Multiplizität.
    Aber es war nicht so sehr die Realität der Multiplizität an sich, sondern vielmehr das, was sie für das Schicksal der Menschen bedeutete, die mich jetzt bewegten.
    Die Menschheit – so hatte ich immer den Eindruck gehabt, seit ich zum erstenmal Darwin gelesen hatte – war in einem Konflikt gefangen gewesen: zwischen
    den Hoffnungen ihrer Seele, die in

Weitere Kostenlose Bücher