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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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aber die Angst und der Drang zum Licht hielten mich fast genauso wirkungsvoll fest.
    Schließlich entschied ich mich für irgendeine Richtung und ging in die Dunkelheit hinaus, wobei ich die Arme locker herunterhängen ließ und die Fäuste ballte.
    Ich zählte die Schritte – acht, neun, zehn... Jetzt, da ich mich nicht mehr in der Lichtzone befand, konnte ich die Sterne unter den Füßen klarer erkennen, eine in-vertierte Halbkugel; ich glaubte wieder, auf dem Dach eines Planetariums zu stehen. Ich drehte mich um und schaute zurück; da war die staubige Lichtsäule, die bis in die Unendlichkeit reichte, mit dem Durcheinander aus Tabletts und Essen an ihrer Basis auf dem blanken Boden.
    Das alles überstieg bei weitem mein Fassungsvermögen!
    Als sich der immer gleiche Boden unter mir hinzog, gab ich es bald auf, die
    Schritte zu zählen. Das einzige Licht kam vom schwachen Leuchten der Sterne
    unter mir, in dem ich gerade noch das Profil meiner Beine erkennen konnte, und vom Glühen dieser zentralen Lichtsäule; die einzigen Geräusche wurden von meinem rauhen Atem und dem weichen Auftreten der Stiefel auf der glasigen Oberflä-
    che hervorgerufen.
    Nach vielleicht hundert Yards beschrieb ich eine Kurve und begann einen Kurs um meine Lichtnadel abzuschreiten. Noch immer sah ich nichts anderes als Dunkelheit und die Sterne unter meinen Füßen. Ich fragte mich, ob ich in dieser undurchdringlichen Schwärze auf diese fremdartigen, schwebenden Beobachter sto-
    ßen würde, die mich auf meiner zweiten Reise durch die Zeit begleitet hatten.
    Verzweiflung begann von mir Besitz zu ergreifen, während ich ziellos weiter—
    marschierte, und ich wünschte mir bald, daß ich von diesem Ort zu Weenas Gartenwelt versetzt würde oder sogar zu dieser nächtlichen Landschaft, wo ich in Gefangenschaft geraten war – an irgendeinen Platz mit Felsen und Flora und Fauna und einem als solchen erkennbaren Himmel, Dinge, an denen ich mich orientieren konnte! Was war das hier für ein Ort? War ich etwa in einer Kammer, tief vergraben in der ausgehöhlten Erde? Welche fürchterlichen Qualen erdachten sich die Morlocks für mich? War es mir bestimmt, den Rest meines Lebens in dieser fremden Einöde zu verbringen?
    Eine ganze Zeit war ich mental ziemlich derangiert, durch die Isolation und das schreckliche Bewußtsein, gestrandet zu sein. Ich wußte weder, wo ich war, noch, wo die Zeitmaschine steckte, und ich erwartete nicht mehr, die Heimat noch einmal wiederzusehen. Ich war eine fremde Entität, gestrandet in einer Welt voller Aliens.
    Ich rief in die Dunkelheit hinein, stieß abwechselnd Drohungen aus und bat dann schmeichelnd um Gnade oder Freilassung; und ich knallte die Fäuste auf den blanken, festen Boden, ohne jedes Ergebnis. Ich rannte schluchzend umher und verfluchte mich selbst wegen meiner einmaligen Blödheit – nachdem ich den Fängen der Morlocks schon einmal entkommen war –, gleich noch mal in dieselbe Falle gegangen zu sein!
    Schließlich mußte ich wie ein frustriertes Kind gebrüllt haben, und nachdem ich meine Kräfte aufgebraucht hatte, sank ich völlig erschöpft zu Boden.
    Ich mußte wohl eine Weile vor mich hingedöst haben. Als ich wieder voll da war, hatte sich an meinem Zustand nichts geändert. Ich kam auf die Füße. Mein Zorn und die Überdrehtheit hatten sich gelegt, und obwohl ich mich so fertig wie noch nie zuvor in meinem Leben fühlte, erlaubte ich meinem Körper, seinen fundamentalen menschlichen Bedürfnissen nachzukommen: Hunger und Durst nahmen dabei
    den ersten Platz ein.
    Total schlapp kehrte ich zu meiner Lichtsäule zurück. Der Druck in der Blase hatte sich zwischenzeitlich verstärkt, so daß ich mit einem Gefühl der Resignation den für mich bereitgestellten Eimer ergriff, ihn ein Stück in die Dunkelheit mit-nahm – aus Schamgefühl, denn ich wußte, daß die Morlocks mich ohne Zweifel
    beobachteten – und ihn dort stehenließ, außer Sichtweite.
    Ich überprüfte den von den Morlocks gelieferten Proviant. Es war eine beklemmende Aussicht: das Essen sah keinen Deut appetitlicher aus als zuvor, aber jetzt hatte ich wirklich Hunger. Ich hob die Schüssel mit Wasser an – sie hatte die Grö-
    ße einer Suppenschüssel – und führte sie an die Lippen. Es war schal und ohne Geschmack, als ob alle Mineralien herausdestilliert worden wären, aber es war klar und erfrischte den Mund. Für ein paar Sekunden hielt ich die Flüssigkeit auf der Zunge, verharrte vor dieser letzten Hürde; und

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