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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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einigen Philosophen vertreten wurde: daß zu jedem bestehenden Objekt irgendwo eine Idealform existiert – eine Grundform des Stuhls, die Speicherung aller Merkmale eines Tisches etc. – und daß jedesmal, wenn in unserer Welt ein Gegenstand geformt wird, auf Matrizen zurückgegriffen wird, die in der Platonschen Überwelt gespeichert sind.
    Nun, hier befand ich mich in einem Realität gewordenen Platonschen Universum: diese ganze mächtige, sonnenumspannende Sphäre war von einem künstlichen, gottgleichen Gedächtnis durchdrungen – einem Gedächtnis, in dessen Kammern wir uns bewegten, während wir miteinander sprachen. Und in diesem Gedächtnis war das Ideal jedes Objekts gespeichert, welches das Herz sich nur wünschen konnte – oder zumindest das Herz eines Morlocks.
    Wie bequem es doch wäre, wenn man ganz nach Bedarf Gerät und Ausrüstung
    herstellen und wieder beseitigen könnte! Mein großes, zugiges Haus in Richmond könnte dann auf einen einzigen Raum reduziert werden, überlegte ich mir. Morgens könnten die Schlafzimmermöbel zurück in den Teppich verbannt werden, um sie dann durch die Badezimmereinrichtung und anschließend den Küchentisch ersetzen zu lassen. Wie durch Zauberei könnte ich die verschiedenen Geräte meines Laboratoriums aus den Wänden und der Decke fließen lassen, bis ich alles beisammen hatte, was ich für die Arbeit benötigte. Und schließlich könnte ich abends meinen Eßtisch herbeizitieren, in einem gemütlichen Zimmer mit Kamin und Tapete; und vielleicht könnte das Essen dann gleich mit auf dem Tisch stehen!
    All unsere Berufsgruppen wie Bauarbeiter, Klempner, Zimmerleute usw. wären
    dann im Handumdrehen verschwunden, überlegte ich mir. Die Hausbewohner – die Besitzer eines solchen Intelligenten Raumes – müßten dann nicht mehr tun, als eine gelegentliche Putzhilfe zu engagieren (zumal der Raum das möglicherweise auch selbst übernehmen könnte!), und vielleicht würde das mechanische Gedächtnis des Zimmers gelegentlich aufgefrischt, um mit der neuesten Entwicklung
    Schritt zu halten...
    So ließ ich meiner blühenden Phantasie freien Lauf.
    Bald begann ich Müdigkeit zu verspüren. Nebogipfel brachte mich an eine freie Stelle – obwohl ich in der Distanz auch von Morlocks umgeben war – und er stieß mit dem Fuß auf den Boden. Eine Art Unterstand kam zum Vorschein; er war
    vielleicht vier Fuß hoch und nicht mehr als ein Dach, das auf vier dicken Pfosten ruhte – in etwa mit einem soliden Tisch zu vergleichen. Unter dem Tisch erhoben sich ein Stapel Decken und ein kleines Buffet. Dankbar kletterte ich in der Hütte –
    es war der erste umbaute Raum, den ich seit meiner Ankunft in der Sphäre gesehen hatte – und ich erkannte, daß Nebogipfel sich bei seiner Erschaffung etwas gedacht hatte. Ich stellte mir aus Wasser und dem grünlichen Käsezeug eine Mahlzeit zusammen und nahm die Brille ab – nun war ich in die endlose Dunkelheit dieser Morlock-Welt gehüllt – und konnte schlafen, wobei ich den Kopf auf eine zusammengerollte Decke gelegt hatte.
    Diese merkwürdige kleine Behausung war für die nächsten vier Tage mein Heim, während ich mit Nebogipfel die Besichtigung der ›Ein-Zimmer-Stadt‹ der Morlocks fortsetzte. Immer wenn ich aufstand, ließ Nebogipfel den Unterstand wieder im Boden versinken, und überall dort, wo wir haltmachten, schuf er sie von neuem
    – wir brauchten also kein Gepäck mitzuschleppen! Mir ist schon aufgefallen, daß die Morlocks nicht schlafen, und ich glaube, daß die Requisiten in meiner Hütte einen Quell beträchtlicher Faszination für die Eingeborenen der Sphäre darstellten
    – genauso wie die ›Besitztümer‹ eines Orang-Utans die Aufmerksamkeit eines
    Menschen erregen würden, vermute ich – und sie versammelten sich um mich,
    während ich schlief, und starrten mich mit ihren kleinen runden Gesichtern an, und an Ruhe wäre dabei wohl nicht zu denken gewesen, wenn Nebogipfel nicht bei mir geblieben wäre und diese Besichtigungstouren unterbunden hätte.

Das Leben der Morlocks
    In all den Tagen, die Nebogipfel mich durch diese Welt der Morlocks geführt hatte, waren wir nie auf eine Wand, Tür oder sonstige signifikante Barriere gestoßen.
    Wie es sich meiner Beobachtung darbot, hatten wir uns – die ganze Zeit – nur in einem Raum aufgehalten: aber es war ein Raum mit gigantischen Dimensionen –
    nicht weniger als einhundertneunzigtausend Meilen lang und entsprach damit fast der Entfernung zwischen Erde

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