Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
hatte und der nach Sinn und Zweck selbst der banalsten Dinge fragen mußte, wie etwa einer Gabel oder Hose!
    In meinen Augen war die Sphäre natürlich eine gigantische Konstruktion! – aber das wären die Pyramiden für einen Neandertaler wohl auch gewesen. Für diesen selbstgefälligen Morlock gehörte die Sphäre um die Sonne praktisch zum historischen Inventar der Welt, mit keiner größeren Bedeutung als eine Wolkenbank oder die Gestalt der Landschaft.
    Eine Tür öffnete sich vor uns – man beachte, daß sie nicht einfach aufschwang, sondern vielmehr wegglitt wie die Lamellen einer Kamera –, und wir gingen weiter.
    Ich schnappte nach Luft und taumelte fast zurück. Nebogipfel musterte mich mit seiner üblichen analytischen Gelassenheit.
    In einem Raum von der Größe einer ganzen Welt – einem mit Sternen ausgekleideten Raum – schwirrten eine Million Morlockgesichter um mich herum.
    Die Morlocks in der Sphäre
    Man muß sich diesen Ort einmal vorstellen: ein einziger riesiger Raum, mit einem Teppich aus Sternen und einer komplexen, maschinell errichteten Decke, und das alles dehnte sich unendlich weit aus, ohne Wände. Er war ein Ort, an dem Schwarz und Silber als einzige Farben vorherrschten. Der Boden wurde durch brusthohe Trennwände abgeteilt; richtige Wände gab es jedoch nicht: es existierten nirgendwo abgetrennte Bereiche, die Ähnlichkeit mit unseren Büros oder Wohnungen gehabt hätten.
    Aber es gab Morlocks, eine bleiche Herde, die sich über diesen transparenten Boden verteilte; ihre Gesichter wirkten wie graue Schneeflocken, die den sternen-
    übersäten Teppich bedeckten. Der Platz war mit ihren Stimmen angefüllt: ihr konstantes, fließendes Babbeln schlug über mir zusammen, ein Ozean für sich, ohne Ähnlichkeit mit den Lauten des menschlichen Gaumens – und ebenfalls ohne
    Ähnlichkeit mit der trockenen Stimme, mit der Nebogipfel in meiner Gegenwart gesprochen hatte.
    An der Grenze zur Unendlichkeit, dort, wo das Dach und der Boden ineinander
    übergingen, verlief eine Linie, schnurgerade und durch Staub und Dunst etwas verschwommen. Und diese Linie wies nicht den Krümmungseffekt auf, den man
    manchmal beim Betrachten eines Ozeans erkennt. Es ist schwer zu beschreiben –
    es kann sein, daß man solche Dinge erst selbst erlebt haben muß, um sich eine Vorstellung von ihnen machen zu können –, aber in diesem Augenblick, als ich hier stand, wußte ich, daß ich mich nicht auf der Oberfläche eines Planeten befand.
    Es gab keinen Horizont, hinter dem sich weitere Morlocks verbargen, wie hinter der Kimm verschwindende Hochseeschiffe; vielmehr war mir klar, daß die runden, kompakten Konturen der Erde weit entfernt waren. Mein Mut wich einer großen
    Verzagtheit.
    Nebogipfel kam auf mich zu. Er hatte sich seiner Brille entledigt, und ich hatte den Eindruck, daß er sich ohne sie wohler fühlte. »Komm«, forderte er mich höflich auf. »Hast du Angst? Das ist es doch, was du sehen wolltest. Wir machen einen Spaziergang. Und wir werden uns dabei weiter unterhalten.«
    Mit großem Zögern – es kostete mich echte Überwindung, einen Schritt nach
    vorne zu machen und mich von der Wand meiner gigantischen Gefängniszelle zu
    lösen – folgte ich ihm.
    Ich erregte eine ziemliche Aufwallung in der Morlock-Population. Ich war voll-ständig von ihren kleinen Gesichtern umgeben, mit großen Augen und ohne Kinn.
    Ich wich auf meinem Marsch vor ihnen zurück, mit erneutem Ekel vor ihrem kalten Fleisch. Einige von ihnen streckten ihre langen, behaarten Arme nach mir aus.
    Ich konnte ihren Körpergeruch wahrnehmen, eine nur zu bekannte süßliche, muffige Ausdünstung. Die meisten gingen in menschlicher Manier aufrecht, obwohl
    andere es vorzogen, wie Orang-Utans mit auf dem Boden schabenden Händen her—
    umzuhüpfen. Viele hatten ihr Kopf-und Rückenhaar individuell frisiert, manche nüchtern und streng, wie Nebogipfel, und andere in einem fließenderen, dekorati-ven Stil. Aber da gab es noch einige, deren Haar genauso wild und struppig her-umhing wie bei den Morlocks, denen ich in Weenas Welt begegnet war, und zuerst befürchtete ich, daß selbst diese Individuen hier in diesem High-Tech-Raum noch Wilde wären; aber sie verhielten sich genauso manierlich wie die anderen, und ich gelangte zu der Ansicht, daß diese Wallemähnen ihren Trägern im Grunde nur eine persönliche Note verleihen sollten – genauso wie manche Männer sich enorme
    Rauschebärte wachsen lassen.
    Ich erkannte, daß ich

Weitere Kostenlose Bücher