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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wieder.«
    Damit ging er. Ich sah ihn verschwinden, wobei seine nackten Füße auf den weichen, sternenunterlegten Boden patschten.
    Nach einer weiteren Schlafperiode kehrte Nebogipfel zurück. Er hob eine Hand und winkte; es war eine steife, unnatürliche Geste, als ob er sie sich erst vor kurzem angeeignet hätte.
    »Komm mit«, forderte er mich auf.
    Mit einem Anflug von Überschwang – durchsetzt von einer nicht unbeträchtlichen Furcht – hob ich meine Jacke vom Boden auf.
    Ich ging neben Nebogipfel her, in die Dunkelheit, die mich so viele Tage umgeben hatte. Mein in der Säule aus Sonnenlicht liegendes Nest verschwand hinter mir. Ich blickte zurück auf den kleinen Fleck, der mein ungemütliches Heim gewesen war, mit den unordentlich herumstehenden Tabletts, dem Haufen Decken und dem Stuhl
    – vielleicht dem weltweit einzigen Stuhl! Ich kann nicht gerade behaupten, daß mich bei seinem Verschwinden nostalgische Anwandlungen überkamen, denn ich
    hatte mich während des ganzen Aufenthalts in diesem Lichtkäfig nur elend und verängstigt gefühlt, aber ich fragte mich doch, ob ich ihn noch mal sehen würde.
    Unter unseren Füßen hingen die Fixsterne wie eine Million chinesischer Lampions, die am Ufer eines unsichtbaren Flusses aufgereiht waren.
    Während unseres Marsches hielt mir Nebogipfel eine blaue Brille hin, die starke Ähnlichkeit mit der hatte, die er selbst trug. Ich nahm sie zwar, protestierte jedoch:
    »Was soll ich damit? Ich bin nicht geblendet wie du...«
    »Du brauchst sie nicht wegen des Lichts, sondern wegen der Dunkelheit. Setz sie auf.«
    Ich führte die Brille ans Gesicht. Das Teil hatte zwei Riemen aus einem biegsamen Material, die sich auch um die blauen Gläser der Brille selbst legten. Als ich die Brille aufsetzte, schmiegten sich die Riemen sanft um den Kopf und fixierten die Brille leicht.
    Ich wandte den Kopf. Trotz der Tönung der Brille sah ich nicht ›blau‹. Diese Säule aus Sonnenlicht schien so hell wie immer, und die Erscheinung von Nebogipfel sowie die Konturen meiner Arme, als ich an ihnen hinabblickte, waren so scharf wie zuvor. Ich schaute zu Nebogipfel hinüber. »Sie scheint nicht zu funktionieren«, beanstandete ich.
    Anstatt zu antworten, beugte er den Kopf vor.
    Ich folgte seinem Blick – und mein Schritt stockte. Denn unter meinen Füßen, jenseits des weichen Bodens, flammten die Sterne. Ihr Leuchten wurde jetzt nicht mehr durch den Glanz des Bodens bzw. die schlechte Akkomodation meiner Augen gefiltert; es war, als ob ich in einer sternenklaren Nacht auf den Bergen von Wales oder Schottland stehen würde! Wie man sich vorstellen kann, verspürte ich manchmal heftige Schwindelanfälle.
    Ich nahm jetzt einen Anflug von Ungeduld bei Nebogipfel wahr – er schien vor-wärts zu drängen. Wir marschierten schweigend weiter.
    Nach nur wenigen Schritten – so kam es mir jedenfalls vor – wurde Nebogipfel langsamer, und nun sah ich, dank der Brille, eine wenige Yards vor uns liegende Wand. Ich streckte die Hand aus und berührte ihre tiefschwarze Oberfläche, aber sie hatte nur die gleiche weiche, warme Struktur wie der Boden auch. Ich konnte nicht begreifen, wie wir die Grenze dieser Kammer so schnell erreicht hatten. Ich fragte mich, ob wir uns vielleicht auf einer Art Laufband befunden hatten, das als Marscherleichterung diente; aber Nebogipfel rückte dazu keine Informationen heraus.
    »Sag mir, was das für ein Ort ist, bevor wir ihn verlassen«, bat ich ihn.
    Sein flachsblondes Haar wirbelte zu mir herum. »Eine leere Kammer.«
    »Welcher Durchmesser?«
    »Annähernd zweitausend Meilen.«
    Ich versuchte, eine Reaktion darauf zu unterdrücken. Zweitausend Meilen? War ich etwa allein in einer Gefängniszelle gewesen, in der man einen Ozean hätte un-terbringen können? »Ihr habt hier wirklich viel Platz«, bemerkte ich leichthin.
    »Die Sphäre ist groß«, erklärte er. »Wenn man nur an planetarische Dimensionen gewöhnt ist, fällt es einem sicher schwer, die Größe zu erfassen. Die Sphäre reicht bis zum Orbit des Urplaneten, den ihr Venus genannt habt. Ihre Oberfläche entspricht dreihundert Millionen Erdoberflächen.«
    »Dreihundert Millionen...«
    Mein schieres Erstaunen traf nur auf den leeren Blick des Morlocks und noch
    mehr von dieser subtilen Ungeduld. Ich verstand seine Ruhelosigkeit, und doch verspürte ich Ressentiments – und eine leichte Verlegenheit. Für den Morlock war ich quasi ein Pygmäe, den es aus dem Kongo nach London verschlagen

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