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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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junge Affen und bearbeiteten ›Junior-Versionen‹ der Informationswände, die ich schon er-wähnt hatte, oder stopften Essen in ihre großen Rachen; hier und da bewegten sich Erwachsene durch die Menge, hoben hier jemanden auf, der hingefallen war,
    schlichteten dort einen kleinen Streit und beruhigten irgendwo im Hintergrund ein weinendes Kind.
    Belustigt ließ ich den Blick über dieses Meer aus Kindern schweifen. Vielleicht mochten manche ihre Freude an einer solchen Kollektion Menschenkinder haben –
    nicht jedoch ich als eingefleischter Junggeselle – aber das hier waren Morlocks...
    Man muß sich daran erinnern, daß die Morlocks für menschliche Begriffe ohnehin nicht sehr attraktive Wesen sind, nicht einmal als Kind, mit ihrem leichenblassen Fleisch, der kalten Haut und diesem Gestrüpp auf dem Kopf. Wenn Sie sich einen gigantischen Tisch vorstellen, der von sich krümmenden Maden übersät ist, dann vermittelt Ihnen das eine ungefähre Ahnung von den Eindrücken, die mir hier vermittelt wurden!
    Ich wandte mich Nebogipfel zu. »Aber wo sind ihre Eltern?«
    Er zögerte, als ob er nach den richtigen Worten suchen würde. »Sie haben keine Eltern. Dies hier ist eine Gebärfarm. Wenn sie alt genug sind, werden die Kinder von hier zu einer Tagesstätte gebracht, entweder in der Sphäre oder...«
    Doch ich hörte schon nicht mehr zu. Ich musterte Nebogipfel von oben bis unten, aber sein Haar verdeckte die Konturen des Körpers.
    Mit einem intensiven Gefühl des Wunders erkannte ich nun eine weitere dieser so offensichtlichen Tatsachen, die mir seit meiner Ankunft hier ins Auge gestochen hatten, ohne daß ich sie indessen interpretiert hätte: es gab keine Anzeichen sexu-eller Diskriminierung, weder bei Nebogipfel noch bei irgendeinem der anderen Morlocks, mit denen ich bisher zu tun gehabt hatte – nicht einmal bei solchen Ver-tretern wie meinen Niedergravitations-Besuchern, deren Körper nur spärlichen Haarwuchs aufwiesen und die deshalb um so leichter ausgemacht werden konnten.
    Der Durchschnitts-Morlock hatte die Statur eines Kindes, er hatte weder erkennbare sekundäre Geschlechtsmerkmale noch eine besondere Ausprägung von Hüfte
    oder Brust... Mit einem Schock realisierte ich, daß ich von den Liebes-und Ge-burtsriten der Morlocks weder etwas wußte noch mir bisher Gedanken darüber
    gemacht hatte!
    Nebogipfel gab mir einen kurzen Überblick über die Aufzucht und Erziehung der jungen Morlocks.
    Das Leben der Morlocks nahm in diesen Gebärfarmen und Kindertagesstätten
    seinen Anfang – zu meiner schmerzlichen Erinnerung war die ganze Erde in eine solche verwandelt worden – und dort wurde den Kindern zusätzlich zu den Grund-formen zivilisierten Verhaltens eine essentielle Fertigkeit vermittelt: Lernfähigkeit.
    Wie wenn ein Schuljunge des neunzehnten Jahrhunderts – anstatt sich eine Menge Unfug über Griechisch und Latein und obskure geometrische Theoreme in seinen armen Schädel zu prügeln – gelernt hätte, sich zu konzentrieren, Bibliotheken zu benutzen, sich Wissen anzueignen – und vor allem, zu denken. Gemäß dieser Philosophie erfolgte die Aneignung von spezifischem Wissen in Abhängigkeit von
    den anstehenden Aufgaben und den Neigungen des Individuums.
    Als Nebogipfel mir das referierte, verspürte ich fast eine körperliche Reaktion, als ich die Simplizität dieser Logik erfaßte. Natürlich! – sagte ich mir – soviel zu Schulen! Welch ein Kontrast zu dem Schlachtfeld der Ignoranz und Inkompetenz, das meine eigene reizlose Schulzeit dargestellt hatte!
    Ich verspürte den Drang, Nebogipfel nach seinem Beruf zu fragen.
    »Unsere Tätigkeiten nehmen uns nicht so in Anspruch, wie das bei euch der Fall ist«, entgegnete er. »Ich habe zwei Vorlieben – Berufungen.« Seine Augen waren nicht zu sehen und machten es daher um so schwieriger, seine Emotionen zu interpretieren. Er sagte: »Physik und die Ausbildung der Kinder.«
    Ausbildung und Training aller Art zogen sich durch das ganze Leben der Morlocks, und es war nicht ungewöhnlich, daß ein Individuum drei oder vier ›Lauf-bahnen‹ einschlug, um es in meiner Sprache auszudrücken – nacheinander oder
    sogar parallel. Das generelle Intelligenzniveau der Morlocks lag nach meiner Einschätzung etwas höher als bei den Menschen meines Jahrhunderts.
    Dennoch war ich von Nebogipfel Berufswahl überrascht; ich hatte angenommen,
    daß Nebogipfel sich ausschließlich auf die Naturwissenschaften spezialisiert haben mußte, so profund war

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