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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ihrer Funktionsfähigkeit; das Plattnerit ermöglichte es der Maschine, auf eine spezi-elle Art und Weise in eine neue Konfiguration der Raumzeit zu rotieren. Deshalb berichteten Augenzeugen, die den Start der Zeitmaschine verfolgt hatten – wie z.
    B. mein Schriftsteller –, daß sie gesehen hätten, wie das Gerät vor seinem Verschwinden aus der Jetztzeit erratisch rotiert hätte; und deshalb litt der Zeitreisende
    – also ich – an durch die Zentrifugal-und Corioliskraft induzierten Schwindelgefühlen, die mich glauben ließen, von der Maschine abgeworfen zu werden.
    Aber trotz all dieser Effekte hatte der durch das Plattnerit verursachte Spin eine andere Qualität als ein normaler Wirbel oder die langsame Drehung der Erde.
    Die Wahrnehmung bei dieser Rotation unterschied sich grundlegend von den anderen Varianten, denn der Zeitreisende hatte die Illusion, absolut ruhig im Sattel zu sitzen, während die Zeit an der Maschine vorbeiraste – es war nämlich eine Rotation aus der Raumzeit heraus.
    Als sich Dunkelheit über den Tag legte, fielen die verschwommenen Konturen des Laboratoriums von mir weg, so daß ich mich schließlich in der freien Luft befand.
    Ich reiste wieder durch diesen Abschnitt in der Zukunft, in dem das Laboratorium vermutlich zerstört worden war. Die Sonne schoß wie eine Kanonenkugel über den Himmel, viele Male in der Minute, und beleuchtete die schwache, skelettartige Suggestion eines Gerüstes um mich herum, das aber bald verschwand und mich am freien Hang zurückließ.
    Meine Geschwindigkeit durch die Zeit erhöhte sich. Das Flackern von Tag und
    Nacht verschmolz zu einem tiefblauen Zwielicht, und ich konnte den Mond sehen, der seine Phasen durcheilte wie ein Kinderkreisel. Und als sich die Geschwindigkeit nochmals steigerte, verwandelte sich die Kanonenkugel-Sonne in einen Lichtbogen, der sich durch den Raum spannte, ein Bogen, der am Himmel auf und ab
    zuckte. Um mich herum spulten sich die Jahreszeiten ab, die durch sukzessives schneeweißes Gestöber und Frühlingsgrün markiert wurden. Schließlich erreichte die Beschleunigung ein Maximum, und ich trat in eine neue, tiefe Stille ein, in der nur die jährlichen Zyklen der Erde selbst – der Umlauf um die Sonne mit den Extremen der Sonnenwende – wie ein Herzschlag über der sich entwickelnden Landschaft pulsierten.
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich in meinem ersten Bericht die außergewöhnliche Stille referiert habe, in die man bei einer Zeitreise eintaucht. Das Singen der Vögel, das entfernte Rattern des Verkehrs über das Kopfsteinpflaster, das Ticken der Uhren – sogar das schwache Atmen der Struktur eines Hauses selbst – all diese Dinge bilden einen komplexen und unbewußten Hintergrund unseres Lebens. Aber jetzt, herausgerissen aus der Zeit, wurde ich nur von meiner eigenen Atmung begleitet und von der Zeitmaschine, die unter meinem Gewicht wie ein Fahrrad leise
    quietschte. Das Gefühl der Isolation war überwältigend – es war, als ob ich in ein fremdes, unheimliches Universum gestürzt wäre, durch dessen Wände unsere eigene Welt nur wie durch verschmutzte Fensterscheiben zu sehen war – aber in diesem neuen Universum war ich das einzige lebende Wesen. Ein profundes Gefühl
    der Verwirrung ergriff Besitz von mir und erregte in Kombination mit der schwindelerregenden Wahrnehmung des freien Falls, die einen Sturz in die Zukunft immer begleitet, Gefühle tiefen Ekels und der Depression.
    Aber jetzt wurde das Schweigen unterbrochen. Ein tiefes Murmeln, dessen
    Quelle ich nicht ausmachen konnte, schien meine Ohren anzufüllen; es war ein leises Rauschen, wie das Geräusch eines großen Flusses. Ich hatte das schon bei meinem ersten Flug bemerkt; ich konnte mir seinen Ursprung zwar nicht erklären, aber es schien mir so, als ob es sich hierbei um eine Begleiterscheinung meiner unziemlichen Reise durch den gemächlichen Lauf der Zeit handeln würde.
    Aber wie sehr sollte ich mich da irren – wie schon so oft bei meinen hastig auf-gestellten Hypothesen!
    Ich schaute auf die vier chronometrischen Uhren und nahm eine Funktionsprüfung vor, indem ich mit dem Fingernagel auf jede tippte. Auch der Zeiger der zweiten Uhr, der die Tage in Tausender-Intervallen anzeigte, hatte sich schon aus seiner Ruhestellung wegbewegt.
    Diese Uhren – treue, stumme Diener – waren denen von Dampfmaschinen entlehnt. Sie maßen eine bestimmte Scherspannung in einem mit Plattnerit dotierten Quarzbrocken, eine Spannung, die durch die

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