Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
die Chinesen oder selbst unser guter Freund Dr. Shaw. Ich könnte Sie jetzt umbringen, ohne hinterher auch nur noch einen Gedanken an Sie zu verschwenden. Der einzige Grund, warum ich Sie so lange habe leben lassen, ist der, dass Sie ein nützliches Druckmittel waren, um sicherzugehen, dass James unserer Mission treu bleibt. Aber ich glaube, darum muss ich mir jetzt keine Sorgen mehr machen.«
Ich muss mich sehr anstrengen, um meine harte, ausdruckslose Maske nicht fallen zu lassen. Die wirkungsvollste Waffe des Direktors war immer seine besondere Art von brutaler Ehrlichkeit. Blutergüsse heilen, aber Worte wie diese beginnen zu eitern.
»Geben Sie mir die Aufzeichnungen«, flüstert er. »Und ich denke darüber nach, es schnell zu machen. Andernfalls …«
»Em!«, schreit Finn nebenan. »Em!«
Langsam breitet sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Direktors aus, während Finns Stimme meine Zelle erfüllt. Es ist klar, was er meint. Er würde es langsam und schmerzhaft machen und Finn zusehen lassen. Ich würde mit seinen Schreien in meinen Ohren und dem Wissen sterben, dass er als Nächster an der Reihe ist.
Wenn ich Glück hätte. Wenn es nicht umgekehrt wäre.
Die Zelle dreht sich und zerfließt, und die Welt um mich herum wird weiß. Ich versuche, mich zu bewegen oder zu schreien, aber ich bin wie gelähmt. Vielleicht bin ich tot. Ich wache davon auf, wie ich mich im Beifahrersitz des Wagens hin und her werfe. Finn sitzt immer noch starr neben mir, mit wild zuckenden Lidern, gefangen in seiner eigenen Erinnerung.
Oh Gott. Wir haben James direkt zu ihm geführt.
N EUNUNDZWANZIG
Marina
James’ Hand fällt aus meinem plötzlich erschlafften Griff. Nates Mörder ist gefasst! Die Gefühle, die diese Worte in mir auslösen, sind so heftig, dass es mir vorkommt, als hätte ich eine Stromleitung berührt und könnte nicht loslassen.
Ich wende mich James zu. Er sieht blass und kalt aus, wie jemand, der aus einem zugefrorenen See gezogen wurde, nachdem er ins Eis eingebrochen ist.
»Wer war es?«, frage ich, weil er es nicht kann.
Richter gleitet wieder in die Nische und steckt sein Handy in die Tasche. »Sein Name ist George Mischler. Er gehört zum Secret Service.«
»Oh Gott«, sage ich und drehe mich wieder zu James. »Du hattest Recht.«
Richter nickt. »Ich hatte ihn von Anfang an im Blick. Nach außen hin konnte ich es ohne Beweise natürlich nicht so aussehen lassen, als würde ich einen unserer eigenen Leute verdächtigen. Deshalb musste ich Ihre Überlegungen, dass der Schütze Hilfe gehabt haben muss, auch zurückweisen, und dafür entschuldige ich mich. Mein Team hat Mischler eben in seinem Haus verhaftet. Man hat die Pläne gefunden, die er benutzt hat, um sich Zugang zum Gebäude zu verschaffen, und eine Handfeuerwaffe, deren Kaliber zu dem der Waffe passt, mit der Ihr Bruder erschossen wurde. Die Ballistik prüft das gerade und wird sicher beweisen, dass es die Tatwaffe ist. Ich bin zuversichtlich, dass er bald ein umfassendes Geständnis ablegen wird.« Richter beugt sich vor und will scheinbar seine Hand auf die von James legen, entscheidet sich aber im letzten Moment dagegen. »Ich weiß, dass es Ihren Bruder nicht zurückbringt, aber ich hoffe, das Wissen, dass sein Mörder für den Rest seines Lebens ins Gefängnis wandert, wird Sie wenigstens ein bisschen trösten.«
»Kann ich Ihnen wirklich trauen?«, fragt James leise. Es klingt wie eine Bitte.
»Nate hat eine Akte über ihn geführt, daran hat sich nichts geändert«, sagt Finn, der mutiger ist als ich. »Wenn er etwas zu verbergen hat, könnte er es diesem Mischler einfach anhängen.«
Richter wirft die Hände hoch. »James, hören Sie mir zu. Ich bin mir sicher, dass Ihre Freunde Ihnen helfen wollen, aber das sind Hirngespinste. Mischler hatte Zugang zum Ballsaal, er hat die Tatwaffe. Sobald wir sein Haus und seinen Computer durchsucht haben, werden wir sicher auch das Motiv finden. Sie müssen mir vertrauen. Wir haben den Kerl, und ich bin nicht Ihr Feind. Ich werfe Ihrem Bruder nicht vor, dass er einen etwas zu ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte, aber ich will mit Ihnen arbeiten, und das ist alles.«
James reibt sich die Schläfen. »Wie kann ich mir da sicher sein?«
»Gehen wir«, sage ich und lege die Hand um James’ Arm. Ich weiß nicht, warum wir immer noch hier sind und immer noch mit diesem Mann reden. James kann doch nicht ernsthaft darüber nachdenken, mit ihm zu arbeiten, oder?
»Wir haben das Bild einer
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