Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
bin, wenn James zurückkehrt. Ich bin so dumm. Wo auch immer er steckt, James ist nicht zittrig vor Aufregung mich wiederzusehen, und er geht im Geiste auch nicht wieder und wieder jenen Augenblick durch, als vor drei Wochen sein Mund nur Zentimeter vor meinem schwebte, bevor er zurückwich. Ich bin beliebt und einigermaßen clever und sehr unabhängig; ich habe es nicht nötig, mich wie ein jämmerliches kleines Mädchen derart zwanghaft auf einen Jungen einzuschießen.
Tamsin und Sophie bleiben, bis Mom von ihrer Besprechung für das Benefiz-Symphoniekonzert heimkommt und die Haustür hinter sich zuknallt. Das Geräusch hallt die Treppe herauf, und plötzlich liegt Spannung in der Luft, als hätte Mom ein Gewitter mit hereingebracht. Es dauert nicht lange, bis meine Freundinnen beschließen, zu verschwinden. Ich wünschte nur, ich könnte mit ihnen gehen.
»Schreib mir eine SMS , okay?«, sagt Tam an der Haustür. »Ich will wissen, was passiert.«
»Du wirst es als Erste erfahren.«
Sophie küsst mich auf die Wange. »Schnapp ihn dir, Tiger!«
»Mein Gott, du bist so eine Idiotin«, sage ich, auch wenn sich mein Magen zusammenkrampft. Ich schiebe sie aus der Tür und winke, während sie in Tams Cabrio steigen. Sie sollte eigentlich nur in Begleitung eines Erwachsenen fahren, da wir noch nicht alt genug für den Führerschein sind, aber sie entführt den Wagen immer heimlich aus der Garage, wenn ihre Eltern nicht da sind. Ich versuche, jedes Geräusch zu vermeiden, als ich die Tür sachte hinter ihnen schließe, und gehe schnell Richtung Treppe.
»Marina?«, ruft Mom aus ihrem Atelier im rückwärtigen Teil des Hauses.
Ich seufze und bleibe auf der vierten Stufe stehen. »Ja?«
»Brüll nicht durchs ganze Haus. Komm her!«
Ich rolle mit den Augen und kann mir gerade noch verkneifen zurückzurufen, dass sie diejenige ist, die mit dem Schreien angefangen hat. Ich stampfe in ihr Atelier, wo sie Bilder malt, die niemand kaufen will und die am Ende unausweichlich in einem unserer Gästezimmer landen. Ich glaube, sie hat früher wirklich davon geträumt, eine große Künstlerin zu werden; dem kommt sie heute am nächsten, wenn sie Wohltätigkeitsveranstaltungen für die National Gallery organisiert.
»Was ist denn?«, frage ich.
»Pass auf deinen Ton auf«, sagt sie, während sie ein paar Rottöne auf ihrer Palette vermischt. »Hast du heute schon mit deinem Vater gesprochen?«
Man sollte meinen, dass meine Eltern im Zeitalter von E-Mail und Handys nicht mich als Kommunikationsmedium brauchen würden, aber seit einiger Zeit scheinen sie nur noch mit mir zu sprechen, um einander Nachrichten zu übermitteln. »Nein.«
»Kannst du ihn bitte anrufen und fragen, ob er zum Abendessen zuhause ist?«
»Und warum kannst du das nicht selbst machen?«
Über die Leinwand hinweg sieht sie mich fest an. »Ich arbeite, Marina.« Als wäre ihr das Bild so wichtig. Sie verbringt Stunden damit, Partys für irgendein Museum oder Krankenhaus zu planen oder sich beim Friseur Strähnchen machen zu lassen, aber sobald sie nach Hause kommt, muss sie sich im Atelier verbarrikadieren.
Ich glaube, sie kann es einfach nicht ertragen, in meiner Nähe zu sein.
»Na gut.« Ich wende mich zum Gehen.
»Schreib ihm aber keine SMS !«, ruft sie mir nach. »Du weißt ja, dass er nie antwortet!«
Ich wähle Dads Büronummer, während ich die Treppe zu meinem Zimmer hinaufgehe. Er braucht immer Ewigkeiten, bis er abnimmt, deshalb stelle ich auf Lautsprecher und lege das Handy auf die Kommode, während ich einen Pyjama anziehe. Mom hasst es, wenn ich beim Abendessen schon den Schlafanzug anhabe. Der hier war ein Geschenk von Luz, und meine Haut seufzt erleichtert auf, als ich aus der drückend engen Jeans, die ich mir kaufen musste, weil Tamsin darauf bestand, hinausschlüpfe und in das billige, weiche Fleece hinein. Ich spüre einen kleinen Stich beim Gedanken an Luz’ Gesicht, als ich sie vorhin angefahren habe. Mal abgesehen von ihrem fragwürdigen Pyjamageschmack liebe ich diese Frau wirklich. Sie ist einer der wenigen Menschen, die kein Geheimnis daraus machen, dass sie mich mögen, auch wenn das bedeutet, dass Luz mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit fürchterlich in Verlegenheit bringt.
Nach etwa vierzehn Rufzeichen geht Dad endlich ran. »Was gibt’s, Schatz?«
»Mom will wissen, ob du zum Abendessen zuhause bist.«
»Ich glaube nicht.« Ich kann ihn im Hintergrund tippen hören. »Die Lira ist heute in den Keller
Weitere Kostenlose Bücher