Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
sich unter meiner Hand an. »Was bedeutet das?«
»Setzen wir uns doch, dann erkläre ich Ihnen alles.« Der Arzt wendet sich an Finn und mich. »Es tut mir leid, aber Einzelheiten zum Gesundheitszustand des Abgeordneten sind vertraulich, daher muss ich Sie bitten, draußen zu warten.«
Finn berührt James’ Schulter, bevor er den Raum verlässt. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken, und er nimmt meine Hand, sodass sich unsere Finger einen Augenblick lang berühren und dann auseinandergleiten, als ich gehe. Es ist eine so kleine Sache, aber die Berührung fährt mir durch Mark und Bein. Ich hasse mich dafür, solche Gefühle zu haben, während Nate am Ende des Gangs um sein Leben kämpft, aber einen Moment lang war es, als würde James mich an seiner Seite brauchen.
Finn und ich setzen uns auf zwei Stühle an der Wand und warten. Wir sprechen nicht. Er hat mich in den letzten paar Stunden damit überrascht, dass er geduldig und freundlich und kein bisschen idiotisch war. Ich erkenne ihn kaum wieder.
Der Arzt geht bald darauf. Er nickt uns zu, als er in den OP zurückkehrt, und ich eile zu James.
»Es steht schlimm«, sagt Vivianne. »Er lebt, aber er atmet nicht aus eigener Kraft. Der Arzt sagt, die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig, dass er … dass er die nächsten paar Tage übersteht.«
»Jesus«, flüstert Finn.
»Oh mein Gott.« Ich möchte James berühren, aber ich habe Angst davor, meine Hände baumeln nutzlos an meiner Seite.
James’ leichenblasses Gesicht ist ausdruckslos. »Er sagte, wir dürften ihn in ein paar Stunden sehen, aber …« Er verliert plötzlich den Willen weiterzusprechen und vergräbt den Kopf in den Händen. Ich denke an den Tag der Beerdigung von James’ Eltern, daran, dass er aus einem Schnitt an der Hand blutete, den er nicht zu spüren schien, während er Möbel durch die Bibliothek schleuderte. Ich kann beinahe sehen, wie der Faden, an dem seine Selbstkontrolle hängt, dünner wird. Wenn nichts passiert, habe ich Angst, dass er reißt.
Ich lege ihm zaghaft eine Hand auf den Rücken. »Wie wär’s, wenn wir zu mir nach Hause fahren und du versuchst, ein bisschen zu schlafen? Wir kommen morgen ganz früh wieder her, wenn Nate so weit ist.«
»Ich halte das für eine gute Idee«, sagt Vivianne.
James schüttelt den Kopf, und seine Stimme klingt dumpf durch seine Hände. »Nein. Ihr könnt gern gehen, aber ich muss hierbleiben. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn …«
… wenn ich gehe und Nate stirbt. Ich höre die Worte in seinem Schweigen.
»Okay.« Ich sehe zu Finn und zucke mit den Achseln. »Dann bleiben wir auch.«
Ich ziehe mein Handy hervor und rufe Luz an. Wenn wir hierbleiben, brauche ich etwas weniger Lächerliches zum Anziehen.
Natürlich ist der wahre Grund, warum ich Luz anrufe, der, dass ich keine Sekunde weiter so tun kann, als wäre ich stark. Wenn ich das bisher überhaupt war. Ich brauche jemanden, der mich in den Arm nimmt und mir sagt, dass alles wieder gut wird.
Es dauert über eine Stunde, bis man Luz durchsucht und ihr den Zutritt gestattet hat, vor allem deshalb, weil sie zwei riesige Taschen mitgebracht hat. Sobald sie grünes Licht bekommen hat, hastet sie an dem Polizisten, der an der Tür zum Warteraum postiert ist, vorbei und direkt auf James und mich zu, schließt uns in ihre fleischigen Arme und drückt jedem von uns einen Kuss auf die Stirn.
»Ay, Dios mío« , murmelt sie. »Meine Lieblinge. Gott segne euch.«
Ich unterdrücke ein Lächeln, während ich die Peinlichkeit über mich ergehen lasse, dass mein Gesicht gegen Luz’ Brust gepresst wird. Doch James wirkt abwesend, als hätte sich ein Teil von ihm davongestohlen und nur seinen Körper zurückgelassen.
Luz packt ihre Taschen aus. Eine enthält Kleidung zum Wechseln für jeden von uns, in der anderen befindet sich mehr Essen, als das gesamte Krankenhaus in einer Woche verputzen könnte – von Sandwiches und Obst über eine Auflaufform voller Enchiladas bis hin zu einer Ladung frisch gebackener Kekse. Luz kocht, wenn sie besorgt ist, und dem Inhalt der zweiten Tasche nach zu urteilen muss sie fast verrückt vor Angst gewesen sein.
Wir haben uns seit dem Achthundert-Dollar-Lachs ausschließlich von Essen aus dem Automaten ernährt, und so stürzt sich Finn auf das Essen, Vivianne nimmt einen Pfirsich, und selbst James schafft es, an einem Erdnussbuttersandwich zu knabbern. Finn hält mir den Teller mit den Schokoladenkeksen
Weitere Kostenlose Bücher