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Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)

Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)

Titel: Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristin Terrill
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keinen Sinn hat.
    Ich bin mir nicht sicher, wie lange der Anfall dauert – dreißig Sekunden, vierzig? –, aber es fühlt sich länger an. Endlich blinzelt er langsam, und das Licht kehrt in seine Augen zurück. Ich stoße den Atem, den ich angehalten habe, aus.
    »Em?«, sagt er.
    »Alles in Ordnung?« Ich versuche, ruhig zu klingen. »Du warst eine Weile irgendwie weg.«
    »Ja, ich glaub schon.«
    »Hast du etwas gesehen?«, frage ich. »War es eine Erinnerung?«
    Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht und nickt. »Es war das Haus in Delaware, in dem wir eine Woche gewohnt haben. Weißt du noch? Es war gleich nach dem Angriff in Providence, und alle waren hypernervös. Pete und ich haben im Keller Nachrichten gesehen. Es war die Nacht, in der der Präsident verkündete, der Kongress hätte den Patriot Act Nummer IV beschlossen. Ich habe dich geweckt, damit du es dir auch anschaust.«
    »Ich erinnere mich«, sage ich. Ich schubste ihn, weil er mich geweckt hatte, aber er nahm meine Hand und erzählte mir ganz ruhig von dem neuen Gesetz, das der Kongress mitten in der Nacht verabschiedet hatte. Keine Reisen von Staat zu Staat mehr ohne Genehmigung; härtere Strafen für Bürger, die sich weigern, von der Regierung bewilligte Ausweise vorzuzeigen; die Einsetzung von Militärposten, um amerikanische Straßen zu überwachen. Wir wussten beide, dass James dahintersteckte.
    »Was ist das? Was passiert da mit uns?«, frage ich. Es hat mich wirklich erschreckt zu sehen, wie Finn mir entrissen wird, was mich plötzlich ganz allein in einer Welt zurückließ, die nicht wirklich meine ist.
    »Ich weiß es nicht«, sagt er.
    Wir sitzen stumm da und starren auf das kleine grüne Reihenhaus, und ich verschränke die Arme, um mich etwas gegen den frostigen Wind zu schützen, der durch das eingeschlagene Fenster hereindringt. Ich will mich nicht an all diese Dinge erinnern. Aber James hat immer gesagt, dass die Zeit kompliziert ist, dass sie ihren eigenen Kopf hat. Vielleicht ist das ihre Art, uns dafür zu bestrafen, dass wir ihr ins Handwerk pfuschen.
    Finn schläft schließlich ein, die Stirn an die Scheibe gelehnt. Ich schwöre, dass er überall schlafen kann. Meine Lider sind bleiern und brennen, doch ich wende meinen Blick keinen Moment vom Haus ab. Meine Entschlossenheit ist wieder da. Ich will nicht, dass Marina sich jemals irgendwo im Nirgendwo, Delaware, verstecken muss und auf einem kleinen Fernseher in einem Keller, der nach Schimmel und nach muffigem Raumspray riecht, zusieht, wie die Welt untergeht.
    Ich versuche, mir vorzustellen, was Marina in diesem Augenblick tut. Es ist so seltsam, dass sie jetzt Dinge erlebt, die ich nie erlebt habe. Es entfernt mich von ihr – von mir –, als wären wir tatsächlich zwei verschiedene Menschen. Gewissermaßen sind wir das jetzt auch, schätze ich.
    Was so ziemlich der Zweck von alldem hier ist.
    Marina hat endlich gesehen, wofür Finn sich schämt und was er so lange so sorgfältig vor mir verborgen hat. Vielleicht hat sie sogar seine Mutter kennengelernt, über die er nur mit mir spricht, wenn es dunkel und ruhig ist und er flüstern kann, so als würde es sie irgendwie schützen, wenn sie ein Geheimnis zwischen uns und der Nacht bleibt. Marina tröstete James nach dem Attentat auf seinen Bruder, wie auch ich es einmal getan habe, aber ebenfalls, nachdem auf ihn geschossen wurde. Sie könnte jetzt alles tun: schlafen oder duschen oder ein Flugticket nach Buenos Aires oder sonst wohin buchen.
    Bei diesen Gedanken läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Geht es ihr gut in diesem Haus, getrennt von mir? Ich muss es plötzlich wissen. Ich kann dieses Gefühl nicht ertragen, von mir selbst abgeschnitten zu sein.
    Lautlos – und peinlich darauf bedacht, Finn nicht zu wecken, der mir nur sagen würde, was für eine monumental schreckliche Idee das ist – entfalte ich meine eingefrorenen Glieder und schlüpfe aus dem Honda. Ich werfe die Tür nicht hinter mir ins Schloss, sondern lasse sie angelehnt. Die Agenten, die James zugeteilt wurden, sind noch immer vor Finns Haus postiert, doch so früh am Morgen ist die Straße verlassen und still. Ich springe über den Zaun in den Garten des Eckhauses. Das ist einer der Vorteile von Reihenhäusern: Es gibt keine Freiflächen dazwischen, wo mich die Agenten entdecken könnten, während ich mich dem Haus der Abbotts nähere. Solange ich mich ruhig verhalte, dürften sie nicht erfahren, dass ich hier bin. Die Hinterhöfe sind durch

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