Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
Unkenntlichkeit verdreht und verzerrt durch seinen Ehrgeiz, er ist grausam geworden durch seine perverse Entschlossenheit, zu tun, was er für richtig hält.
Ich umklammere die Waffe in meinen Händen, während ich an Luz denke, meine geliebte Luz, die wie Müll entsorgt wurde. Vivianne, die mitten in der Nacht auf der Schnellstraße zwischen Baltimore und Washington tödlich verunglückt ist, ohne dass ein anderer Wagen beteiligt gewesen wäre. Mrs. Abbott, der nichts von ihrem Sohn bleiben wird außer ein paar hingekritzelten Postkarten. Finn, der brüllt, als sie ihn foltern, um ihm Informationen abzupressen, die er nicht hat. All die Menschen, die leiden und sterben werden wegen James.
Ich öffne die Augen und sehe auf die beiden, die zusammen in diesem Bett liegen, so wunderbar friedlich, ohne jede Vorahnung dessen, was über ihren Köpfen hereinbrechen wird, und ich hebe die Waffe. Ein knapper Meter, vielleicht auch weniger, trennt den Lauf von James’ Kopf. Es wird schnell gehen.
Mein Blick schweift zu Marina. Gott, war ich wirklich mal so jung? Ich bin mir nicht sicher, was geschehen wird, wenn ich den Schuss abfeuere. Finn und ich werden aufhören zu existieren, weil mit James auch unsere Zeitlinie ausgelöscht wird. Aber wo – oder wann – wird Marina aufwachen? Wird sie sehen, was ich getan habe? Der Gedanke daran lässt mich erschauern. Es würde sie umbringen.
Vielleicht kann ich ihnen noch einen Augenblick zusammen geben.
Ich lasse die Pistole sinken, und als der Lauf Richtung Boden zeigt, packt mich ein vertrautes Gefühl in der Magengrube wie eine kalte Faust. Ich habe keine Zeit, panisch zu werden oder mich zu wehren, bevor es mich zurückreißt.
Zurück und zurück und zurück.
Ich falle in schwindelerregender Geschwindigkeit durch das Nichts. Als ich endlich die Augen öffne, bin ich in der kleinen weißen Zelle, die so viele Monate lang mein Zuhause war.
James sitzt vor mir. Er hält einen Elektroschocker in der Hand.
»Bitte, Marina«, sagt er. »Verrate mir, wo die Aufzeichnungen sind. Dann kann ich dir helfen.«
»Ach, wirklich?«, frage ich. »So wie du Vivianne geholfen hast? Oder Luz?«
Er erstarrt. »Das war nicht meine Schuld. Ich hätte niemals …«
»Vivianne ist tot, James!«, brülle ich, und meine Stimme überschlägt sich. »Sie wusste vermutlich zu viel, aber Luz wusste rein gar nichts, und als sie dir nicht sagen konnte, wo wir waren, hast du sie in ein Gefangenenlager werfen lassen. Wegen terroristischer Aktivitäten !« Tränen brennen in meinen Augen, während ich bei dem Gedanken an Luz, ihr besorgtes Gesicht und ihre starken, sanften Hände zwischen Kummer und Zorn hin- und hergerissen bin. »Eine liebe alte Dame, die in ihrem ganzen Leben nicht einmal einen Strafzettel bekommen hat, als Terroristin verhaftet. Diese Frau hat dich geliebt, und du hast ihr Leben zerstört, nur weil du die Macht dazu hattest!«
Er steht so abrupt auf, dass die Beine seines Stuhls über den Betonboden kratzen. Ich sehe die Anspannung, die sich in seinem Körper aufgestaut hat und kurz davor ist, sich zu entladen, während er wieder und wieder die Hände zu Fäusten ballt. Eine Sekunde lang könnte er wieder der James sein, den ich geliebt habe, der James, der hin und her tigerte, während er im Geiste eine schwierige Aufgabe zu lösen versuchte. Doch seine Zähne sind zu fest zusammengepresst und der Ausdruck in seinen Augen zu kalt.
»Ich habe es getan, weil du begreifen musst, wie wichtig es ist, mir die Aufzeichnungen auszuhändigen«, sagt er. »Wenn jemand anders sie in die Finger bekommt, wird das Folgen haben, die du dir nicht mal vorstellen kannst!«
»Stimmt, ich war ja nie klug genug, etwas von alldem zu verstehen«, sage ich mit grimmigem Lächeln. »Ich kapiere einfach nicht, wie es uns sicherer machen soll, überall im Land Bomben zu zünden. Oder dass deine Mission, die Welt zu retten, noch für irgendetwas anderes gut ist, außer dein Ego zu hätscheln. Ich dummes, dummes Ding.«
Er blickt auf mich herunter und sieht dabei tatsächlich traurig aus. »Bitte. Sie werden dir sonst wehtun.«
Ich starre zurück. »Und du wirst sie nicht daran hindern.«
Er wendet sich ab. »Manchmal muss man für das Wohl aller jemandem wehtun, den man liebt.«
»Warum entscheidest ausgerechnet du, was für alle gut ist?«, frage ich. »Es geht um Menschen , nicht nur um Zahlen in einer deiner Gleichungen. Verstehst du das nicht? Hast du es jemals verstanden?«
Sein
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