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Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)

Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)

Titel: Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristin Terrill
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lebt. »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Es ist nur …« Er hängt den Tankstutzen wieder zurück. »Der arme Kerl. Er ist noch nicht so weit.«
    Wir fahren in gemächlicherem Tempo weiter, da Finn nun genau weiß, wohin es geht. Ich sehe zu, wie die Häuser draußen immer kleiner und kleiner, schäbiger und schäbiger werden. Finn hat mir nicht gesagt, wie schlecht es seiner Familie ging, bis wir schon einige Monate lang zusammen auf der Flucht waren. Und selbst dann noch gab er mir kaum mehr als versteckte Hinweise. Ich glaube nicht, dass er sich richtiggehend schämte. Er hatte wohl eher Angst davor, wie James und ich und die anderen privilegierten Kinder an unserer Schule reagieren würden, wenn wir es wüssten, und dass wir ihn dann anders behandeln würden. Er machte sich zu Recht Gedanken. Das oberflächliche, behütete Mädchen, das ich damals war, hätte ihn tatsächlich anders behandelt. Aber als wir auf Lkw-Ladeflächen Staatsgrenzen überquerten und tagelang keine Seife zu Gesicht bekamen, gehörten seine Angst und mein Snobismus nur zu schnell der Vergangenheit an.
    Aber sein siebzehnjähriges Ich, das hinter der ganzen selbstsicheren Aufschneiderei so sensibel ist, zeigt meinem verwöhnten sechzehnjährigen Ich nun sein Geheimnis und enthüllt seine Schwäche. Ich kann nur hoffen, dass sie ihm nicht wehtun wird. Ich lege meine Hand auf die von Finn, dort, wo sie auf der Konsole zwischen uns ruht.
    Er parkt einen Block entfernt von dem Crown Vic, der vor dem kleinen Reihenhaus abgestellt ist, das, wie ich jetzt weiß, seines ist. Da Marina und der jüngere Finn mit James dort drin sind, bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten. Wir können es nicht riskieren, unsere jüngeren Ichs zu konfrontieren, wir müssen warten, bis James allein ist.
    »Ich wünschte, ich könnte meine Mom sehen«, sagt Finn. »Es ist komisch, dass sie gleich da drüben ist.«
    Ich nicke, als würde ich es verstehen, aber das tue ich nicht. Nicht wirklich. Selbst als wir eben an meinem Zuhause vorüberfuhren, kamen mir meine Eltern nur flüchtig in den Sinn. Ich habe sie, seitdem ich weggelaufen bin, nie richtig vermisst. Wenn ich Angst hatte oder müde war, wenn ich meine Augen schloss und mir wünschte, dass mich jemand umarmen und mir meine Last nehmen möge, war das Gesicht, das zu diesen Armen gehörte, öfter das von Luz oder sogar James als das von Mom oder Dad. Eine gewisse Bitterkeit, ein besonderer Schmerz kommt daher, dass sie mir nicht fehlen.
    Aber Finn war immer anders, besonders in Bezug auf seine Mutter. Er schrieb seinen Eltern Postkarten, als wir fort waren, und übergab sie Menschen, die wir unterwegs trafen. Sie sollten sie abschicken, wenn sie an ihrem Bestimmungsort angekommen waren, damit wir durch die Briefmarken nicht aufgespürt werden konnten. Einmal fand ich ihn im Dunkeln vor dem Motel, in dem wir uns einquartiert hatten, und er weinte herzzerreißend. Wir waren auf der Flucht vor James bereits durch die Hölle und zurück gegangen, aber dies war das allererste Mal, dass ich ihn weinen sah. Es war eine Nacht der ersten Male. Es war der Geburtstag seiner Mutter, sagte er mir, und er wusste nicht einmal, ob sie am Leben war oder tot. Er erzählte mir zum ersten Mal von ihr, und es war das erste Mal, dass ich ihn wirklich verstand.
    Es war auch das erste Mal, dass ich ihn in den Arm nahm. Er hielt sich so fest an mir, dass ich sein Herz klopfen spürte.
    »Überleg nur«, sage ich. »Wenn wir hier fertig sind, wirst du sie nie verlassen müssen.«
    Er erstarrt plötzlich, wird unnatürlich steif. Er schaut mich an, aber seine Augen sind leer, als würde er mich nicht mehr sehen.
    »Finn?«
    Seine Augäpfel rollen nach oben, und seine Lider beginnen krampfhaft zu zucken. Sie sind der einzige Teil seines Körpers, der nicht festgefroren erscheint. Ich lege meine Hand auf seinen Arm, seine Muskeln sind starr unter meinen Fingern. Da er nicht reagiert, schüttle ich ihn.
    »Finn?«, sage ich wieder. Ich spüre, wie Hysterie in mir aufsteigt. Ich bin sicher, dass er einen Krampfanfall oder so was hat, da geht mir auf, dass es dasselbe sein muss, was mir passiert ist, vorhin, auf dem Parkplatz. Finn wurde weggerissen, an einen Ort in seinem Geist, wie ich, als ich den Tag sah, an dem ich James kennengelernt habe. Er hat vergessen zu erwähnen, wie erschreckend es ist, dabei zuzusehen. Finn ist fort, und außer seinem Körper ist nichts von ihm übrig. Ich schüttle ihn erneut, auch wenn ich weiß, dass es

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