Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
die Paradoxie zu überstehen, die sich daraus ergeben würde.
Ihre Schatten streichen über unsere Köpfe, und wir hören Finns Stimme, aber keiner von beiden schenkt dem zerbeulten blauen Honda Beachtung. Sie gehen an uns vorüber, und wir setzen uns langsam wieder auf und sehen zu, wie sie über die Straße in ein Denny’s-Restaurant gehen.
»Sie werden zehn Minuten weg sein«, sagt Finn. »Mindestens.«
Ich nicke, plötzlich ist mir mulmig. »Das ist unsere Chance.«
»Ich mache es.« Finn öffnet das Handschuhfach und greift sich die Pistole. »Er wird am Boden zerstört sein, und ich will nicht, dass du das siehst.«
Ich streiche ihm über die Wange. »Du bist ein ziemlich süßer Kerl, Finn Abbott, weißt du das?«
»Kann sein, dass ich das schon ein- oder zweimal gehört habe.«
Ich schlucke den heißen Kloß in meiner Kehle herunter. »Aber ich kann dich das nicht allein tun lassen. Wir sind ein Team.«
»Em …«
»Keine Diskussion. Außerdem …«, ich hole tief Luft und nehme ihm die Waffe ab, »habe ich das Gefühl, dass ich ihm das schuldig bin, auf eine ziemlich verdrehte Art. Ich sollte es tun.«
Während unsere jüngeren Ichs im Denny’s in Sicherheit sind, gehen Finn und ich ins Hotel. Ich fühle mich tausend Jahre älter als das Pärchen, das eben hier herausgekommen ist, aber ich hoffe, wir werden mitten in der Nacht in den Augen eines überarbeiteten Portiers nicht so aussehen.
»Hi«, sagt Finn und schenkt der Frau hinter der Theke sein bezauberndstes Lächeln. »Sorry, ich bin ein Trottel. Wir haben erst vor ein paar Minuten eingecheckt, erinnern Sie sich?«
Die Frau nickt. »Natürlich.«
»Unser Freund ist auf dem Zimmer«, sagt er. »Er hat eine üble Erkältung, deshalb haben wir ihm Medikamente geholt. Ich hoffe, er schläft inzwischen, der arme Kerl.«
»Oh, du meine Güte«, sagt sie. Ich kenne das schon seit Jahren, aber noch immer staune ich über Finns Fähigkeit, Menschen so rasch für sich zu gewinnen.
»Deshalb habe ich mich gefragt, ob Sie uns wohl noch eine Schlüsselkarte für das Zimmer geben könnten?«, sagt er. »Wir haben unsere vergessen, und wir wollen ihn nicht wecken, damit er uns aufmachen kann.«
»Kein Problem«, sagt die Rezeptionistin und gibt im gleichen Moment etwas in ihren Computer ein. Sie steckt eine Schlüsselkarte in einen Umschlag und schreibt »126« darauf, sodass wir nicht einmal so tun müssen, als hätten wir unsere Zimmernummer vergessen. »Hier, bitte schön. Ich hoffe, es geht ihm bald besser.«
»Vielen, vielen Dank.« Finn nimmt die Schlüsselkarte entgegen. »Eine gute Nacht noch.«
»Ihnen auch.«
»Na, das war ja leicht«, flüstere ich, während wir den kleinen Hinweisschildern mit den Pfeilen folgen, die zu Zimmer Nummer 126 führen.
»Nein, das war sehr gefährlich und gewagt, und nur dank meines extremen Charmes haben wir es geschafft.«
Selbst in einem Augenblick wie diesem bringt er mich zum Lächeln. »Natürlich. Wie dumm von mir.«
Bald stehen wir vor der Tür zu Zimmer Nummer 126. Es liegt im Erdgeschoss im rückwärtigen Teil, praktisch in der Ecke, was gut ist. Wenn etwas schiefläuft, haben wir so bessere Fluchtchancen. Aber hoffentlich geht alles gut, und wir müssen uns über eine Flucht keine Gedanken machen.
Weil wir dann nämlich nicht mehr existieren werden.
»Bereit?«, sage ich mehr zu mir selbst als zu Finn.
Ich hebe die Schlüsselkarte, aber bevor ich sie ins Schloss stecken kann, schlingt Finn seine Hand um meinen Nacken, zieht mich an sich und erstickt meine Überraschung mit seinen Lippen. Er küsst mich, wie ich noch nie zuvor geküsst worden bin. Kuss ist ein zu kleines Wort dafür. Es ist, als würde er mich mit jedem bisschen Liebe und Lust und Bedauern, das in ihm ist, mit jedem Augenblick aufgestauter Sehnsucht aus unserer monatelangen Gefangenschaft ausfüllen. Ich presse mich an ihn, und als er sich zurückzieht, um seine Stirn an meine zu legen, ist mir schwindelig und ich bin außer Atem.
»Jetzt«, flüstert er, und seine Worte wehen über meine Lippen, »bin ich bereit.«
Ich hebe meine Hand an seine Wange und nicke, während ich versuche, mir in diesen letzten Sekunden die Farbe seiner Augen einzuprägen. Ich lag zuvor falsch. Sie sind nicht einfach nur blau. In der Mitte, um die Pupille, ist ein winziger Ring aus grünlichem Gelb, den man nur aus dieser Nähe sehen kann, wie ein Geheimnis. Das darf ich nicht vergessen.
Er nickt, und ich nehme die Hand von seinem Gesicht, um
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