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Zeitspringer

Zeitspringer

Titel: Zeitspringer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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nackt, stieg hinauf. Helaine beschäftigte sich damit, das Frühstück zu programmieren.
    »Wir lernen heute in der Schule Geographie«, sagte Joseph.
    »Wie schön«, meinte Helaine zerstreut.
    »Wo ist Afrika?« fragte der Junge.
    »Weit weg. Irgendwo auf der anderen Seite des Ozeans.«
    »Kann ich nach Afrika gehen, wenn ich groß bin?« fragte Joseph.
    Von der Dusche her ertönte ein schrilles Kichern. Marina fuhr herum und sagte: »Afrika, da leben die Zweier! Wirst du ein Zweier sein, Jo-Jo?«
    Der Junge starrte seine Schwester finster an.
    »Vielleicht. Vielleicht sogar ein Einer. Woher willst du das wissen? Du wirst gar nichts. Ich habe schon was, das du nicht hast.«
    Marina streckte ihm die Zunge heraus. Trotzdem drehte sie sich herum und versteckte ihren unentwickelten neunjährigen Körper vor seinen bohrenden Augen. Aus seiner Ecke des Zimmers schaute Pomrath zum Fakband des Morgens hinauf und brummte: »Hört auf damit! Jo-Jo, zieh dich an! Marina, du duschst dich fertig!«
    »Ich hab’ nur gesagt, daß ich nach Afrika will«, murmelte der Junge.
    »Widersprich deinem Vater nicht«, sagte Helaine. »Außerdem ist das Frühstück fertig. Zieht euch an.« Sie seufzte. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte jemand zermahlenes Glas hineingeschüttet. Die Kinder dauernd im Zank. Norm in der Ecke wie ein Gast bei der eigenen Totenwache. In der Wäsche rätselhafte Minizettel. Vier fensterlose Wände, die sie einsperrten – nein, es war zuviel. Sie begriff nicht, wie sie das ertragen sollte. Essen, schlafen, baden, lieben, alles in einem einzigen kleinen Zimmer. Tausende von verdreckten Nachbarn im selben Sumpf. Picknick einmal im Jahr, mit Stat in eine ferne Gegend, wo noch nicht alles zugebaut war – Brot und Spiele, damit die Proleten zufrieden sind. Aber es tat weh, einen Baum zu sehen und dann nach Appalachia zurückzukommen. Es ist wirklich qualvoll, dachte Helaine elend. Das war nicht zu erwarten gewesen, als sie Norm Pomrath geheiratet hatte. Er war voller Pläne gewesen.
    Die Kinder aßen und gingen zur Schule. Norm blieb, wo er war, und drehte das Fakband mit den kurzen Fingern hin und her. Ab und zu machte Norm Helaine mit einer Nachricht bekannt. »Danton weiht nächsten Dienstag in Pacifica ein neues Krankenhaus ein. Völlig automatisch, ein großer Homöostat und überhaupt keine Techniker. Ist das nicht schön? Die Kosten für den Staat sinken, wenn keine Angestellten gebraucht werden. Und jetzt noch etwas Gutes: Ab ersten Mai werden die Sauerstoffmengen in allen gewerblichen Gebäuden um zehn Prozent herabgesetzt. Damit zusätzliche Mengen für die Privatwohnungen frei werden, heißt es. Du erinnerst dich, Helaine, als im August auch die Haushaltsmengen gekürzt worden sind. Es wird immer weniger. Wenn es schon soweit ist, daß sie die Luft rationieren –«
    »Norm, reg dich nicht auf.«
    Er beachtete sie nicht.
    »Wie ist das alles soweit gekommen mit uns? Wir haben ein Anrecht auf etwas Besseres. Vier Millionen Menschen auf den Quadratmeter, das blüht uns noch. Die Häuser tausend Stockwerke hoch, damit jeder Platz hat, und es dauert einen Monat, bis man zur Straße hinunterkommt oder an eine Schnellbootrampe, aber was macht das schon? Das ist der Fortschritt. Und –«
    »Glaubst du, du kannst diesen Lanoy finden und durch ihn Arbeit bekommen?« fragte sie.
    »Was wir brauchen«, fuhr er fort, »ist eine erstklassige Erregerseuche. Selektiv, versteht sich. Weg mit allen, denen es an nutzbaren Berufskenntnissen fehlt. Damit wird die Alu-Liste am Tag schon um ein paar Milliarden Einheiten erleichtert. Das Steueraufkommen für Arbeitsbeschaffungsprogramme bei den übrigen aufwenden. Wenn das nicht klappt, einen Krieg anfangen. Außerirdische Feinde, die Krebsgeschöpfe vom Krebsnebel, alles für Patriotismus. Einen Krieg anfangen, der verlorengeht. Kanonenfutter.«
    Er schnappt über, dachte Helaine, als ihr Mann weitersprach. In der letzten Zeit war das ein endloser Monolog, eine rauschende Fontäne der Bitterkeit. Sie versuchte nicht zuzuhören. Da er keine Anstalten machte, die Wohnung zu verlassen, tat sie es. Sie warf das Geschirr in den Schlucker und sagte: »Ich besuche die Nachbarn.« Sie verließ den Raum, als er die Vorzüge des beherrschten Atomkriegs zum Zweck der Bevölkerungseindämmung aufführte. Willkürliche Lautstöße, das war alles, was Norm Pomrath seit einiger Zeit nur noch hervorbrachte. Er mußte sich selbst reden hören, um nicht zu vergessen, daß es ihn noch

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