Zeitspringer
bezeichnete. Er befragte sie auf Malaiisch und erhielt verständliche Antworten.
Sie sei, so erklärte er, die Prinzessin Karabu, von Piraten aus ihrem Heim auf Java entführt und auf See gebracht worden, wo sie viele Abenteuer erlebt habe, bevor es ihr endlich gelungen sei, an die englische Küste zu entfliehen. Mit Hilfe des ›Gentleman aus Ostindien‹ teilte Prinzessin Karabu viele Einzelheiten über das Leben auf Java mit. Dann trat eine Frau aus Devonshire auf, eine Mrs. Willcocks, und erklärte, die Prinzessin sei in Wahrheit ihre Tochter Mary, geboren 1791. Mary Willcocks gestand den Betrug ein und wanderte nach Amerika aus.
Brogg hatte dem Fall von Prinzessin Karabu folgende Überlegungen angefügt:
›Manchen Kennern zufolge handelte es sich hier um einen mehrfachen Betrug. Ein Mädchen tauchte auf geheimnisvolle Weise auf. Ein Mann meldete sich und behauptete, ihre Sprache zu verstehen. Eine ältere Frau erklärte, das sei alles Schwindel. Aber die Dokumente sind lückenhaft. Was, wenn das Mädchen eine Besucherin aus der Zukunft war und der »Gentleman aus Ostindien« ein anderer Springer, der sie geschickt als javanische Prinzessin auszugeben versuchte, um zu verhindern, daß ihre wahre Herkunft offenbar wurde? Was, wenn die angebliche Mutter eine weitere Springerin war, die eingriff, um das Mädchen zu schützen, als es den Anschein hatte, der Schwindel mit Java könnte auffliegen? Wie viele Zeitreisende haben 1817 nun wirklich in England gelebt?‹
Quellen hatte den Eindruck, daß Brogg zu leichtgläubig war. Er ging weiter zum nächsten Beispiel.
Cagliostro: Tauchte in London, dann in Paris auf, sprach mit einem Akzent, dessen Herkunft nicht zu klären war. Übernatürliche Kräfte. Aggressiv, begabt, unkonventionell. Beschuldigt, in Wahrheit ein Joseph Balsamo zu sein, ein sizilianischer Verbrecher. Dieses nie bewiesen. Verdiente im Europa des 18. Jahrhunderts viel Geld mit alchimistischem Pulver, Liebestränken, Jugendelixieren und anderem nützlichen Gebräu. Wurde unvorsichtig, kam 1785 in die Bastille, entfloh, besuchte andere Länder, wurde wieder verhaftet, starb 1795 im Kerker. Betrüger? Schwindler? Zeitreisender? Durchaus möglich. Alles war möglich, dachte Quellen betrübt, sobald man anfing, an solche Dinge zu glauben.
Kaspar Hauser: Wankte an einem Mainachmittag 1828 in die Stadt Nürnberg. Offenbar sechzehn oder siebzehn Jahre alt. (Ein bißchen jung für einen Zeitspringer, dachte Quellen. Vielleicht hatte das Äußere getäuscht.) Konnte auf Deutsch nur zwei Sätze sprechen. Als man ihm Bleistift und Papier gab, schrieb er einen Namen: Kaspar Hauser. Man nahm an, das sei sein eigener Name. Er kannte die alltäglichsten Dinge und Vorkommnisse nicht. Ohne Zweifel aus einer Zeitverwerfung gestürzt.
Aber einer, der rasch lernte. Eine Zeit als Landstreicher im Gefängnis festgehalten, dann einem Lehrer übergeben, Professor Daumer. Meisterte Deutsch und schrieb eine autobiographische Abhandlung, worin er mitteilte, er habe sein ganzes Leben in einer kleinen, dunklen Zelle verbracht und von Wasser und Brot gelebt. Ein Polizist, der ihn gefunden hatte, erklärte jedoch: »Er hatte eine sehr gesunde Gesichtsfarbe. Er wirkte nicht blaß oder geschwächt wie jemand, der einige Zeit eingesperrt war.«
Viele Widersprüche. Allgemeine Faszination in Europa; jedermann stellte Spekulationen über die rätselhafte Herkunft Kaspar Hausers an. Manche meinten, er sei der Kronprinz von Baden, 1812 von den Beauftragten der seinem angeblichen Vater, dem Großherzog, zur linken Hand angetrauten Frau entführt. Später widerlegt. Andere erklärten, er sei ein Schlafwandler und habe das Gedächtnis verloren. 17. Oktober 1829: Kaspar Hauser aufgefunden mit einer Wunde an der Stirn, angeblich zugefügt von einem Mann mit schwarzer Maske. Polizisten abgestellt, die ihn bewachen sollten. Mehrere weitere angebliche Attentate. 14. Dezember 1833: Kaspar Hauser sterbend in einem Park gefunden, eine tiefe Stichwunde in der linken Brust. Behauptete, ein Unbekannter hätte ihm die Wunde zugefügt. Keine Spur von der Waffe im Park, keine Fußabdrücke außer Hausers eigenen in der Umgebung. Vermutung, daß er sich die Wunde selbst beigebracht hatte. Einige Tage danach gestorben mit dem Ruf: »Mein Gott, daß ich so in Schande und Ehrlosigkeit sterben muß!«
Quellen schaltete ab. Schweine, Hunde, die Prinzessin Karabu, Kaspar Hauser – alles ganz unterhaltsam. Es mochte sogar einen Glauben stützen, die ganze
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