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Zeitspringer

Zeitspringer

Titel: Zeitspringer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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auf Hüfte und linkem Bein. Seine Kniescheibe prallte auf die Straße. Pomrath ächzte und blieb kurze Zeit liegen. Es war nicht ratsam, lange liegenzubleiben, das wußte er. Er nahm sich zusammen, stand schwankend auf und wischte sich ab. Die Straße war bemerkenswert schmutzig. Pomraths ganze linke Körperseite schmerzte. Er hinkte an eine Hauswand, lehnte sich dort an, biß die Zähne zusammen und führte eine der empfohlenen Neuralübungen zur Förderung der Durchblutung aus. Die Schmerzen vergingen, als sich die Blutgefäße, die er sich geprellt hatte, leerten.
    So. Schon besser.
    Nun hatte er zum erstenmal Gelegenheit, die Welt von A. D. 2050 zu betrachten.
    Beeindruckt war er nicht. Die Stadt sah zusammengedrängt aus, wie sie viereinhalb Jahrhunderte später aussehen würde, aber das Dichtgedrängte wirkte zufällig und asymmetrisch. Überall ragten Turmgebäude in archaischem Baustil empor. Es gab keine Schnellboote und keine Brücken über Etagenstraßen. Das Pflaster war von Rissen durchzogen. Die Straßen waren vollgestopft mit Fußgängern, nicht auffallend weniger, als er auf den Straßen zu sehen gewohnt war, obwohl er wußte, daß die Weltbevölkerung nur ein Drittel dessen ausmachte, was in seiner eigenen Zeit vorhanden war. Die Art, sich zu kleiden, interessierte ihn. Obwohl Frühling herrschte und die Luft warm war, verdeckte man alles. Die Frauen waren eingehüllt von den Fußknöcheln bis zum Kinn, die Männer bevorzugten weite Umhänge, um die Körperumrisse zu verdecken. Pomrath erkannte daran, daß Lanoy ihn annähernd in die richtige Zeit geschickt hatte.
    Pomrath hatte sich mit den Dingen vorher befaßt. Er wußte, daß die Mitte des 21. Jahrhunderts eine Zeit neupuritanischer Reaktion gegen die fleischlichen Exzesse der unmittelbaren Vergangenheit gewesen war. Das gefiel ihm. Nichts langweilte ihn mehr als eine Epoche schamlos nacktbrüstiger Frauen und Männer mit Hosenbeuteln. Wahre Sinnlichkeit gedieh nur in einer Zeit erotischer Zurückhaltung, soviel wußte er. Sinnlichkeit gehörte zu den Dingen, die er suchte. Nach einem Jahrzehnt als braver Vater und treuer Ehemann freute Pomrath sich auf die Gelegenheit, sich einmal austoben zu können.
    Er wußte ferner, daß die neupuritanische Phase bald wieder von einem gegensätzlichen Pendelschlag ausgelöscht werden würde. Er konnte also von beiden Kulturen das Beste nehmen: zuerst die verstohlenen Lüste der inneren Auflehnung gegen die öffentliche Moral, dann, wenn er älter wurde, die Freuden, den völligen Zusammenbruch dieser Moral zu erleben. Er hatte sich eine gute Zeit ausgesucht. Keine nennenswerten Kriege, keine schweren Krisen. Hier konnte man sein Leben genießen, vor allem dann, wenn man über nützliche Fähigkeiten verfügte. Ein Medizintechniker wie er würde in dieser Zeit primitiver Medizin günstige Aussichten haben.
    Niemand hatte ihn auftauchen sehen. Zumindest war jeder Zeuge für sein plötzliches Erscheinen rasch verschwunden, um sich um eigene Angelegenheiten zu kümmern, ohne sich einzumischen. Gut.
    Nun mußte er sich orientieren.
    Er befand sich in einer Stadt, mutmaßlich New York. Überall Geschäfte und Büros. Pomrath ließ sich vom Strom der Passanten mittreiben. Ein Kiosk an der Ecke verkaufte, was die Entsprechung der Fakbänder in dieser Zeit zu sein schien. Pomrath riß die Augen auf. Da stand ein Datum: 6. Mai 2051. Tüchtiger Bursche, Lanoy. Innerhalb eines Jahres um die gewünschte Zeit. Das gelbe Band tickerte aus dem Schlitz der Maschine. Pomrath hatte Mühe, die antiquierte Grotesk-Druckschrift zu lesen. Er war sich nicht bewußt gewesen, wie sehr die Form der Buchstaben verändert worden war. Aber er hatte es bald heraus.
    Fein. Nun brauchte er nur noch Geld, eine Identität, eine Wohnung. Innerhalb einer Woche würde er ganz in die Matrix dieser Zeit eingetaucht sein.
    Er sog Luft in die Lunge. Er fühlte sich zuversichtlich, lebendig, in Hochstimmung. Hier gab es keine Stellungsmaschine. Er konnte nach eigenem Vermögen existieren, sich allein mit den unerbittlichen Kräften des Universums auseinandersetzen und sie sogar ein bißchen zum Nachgeben zwingen. In seiner eigenen Zeit war er nur eine Nummer auf einer Lochkarte, eine Anhäufung von Ionen auf einem Datenspeicherband gewesen. Hier konnte er seine Rolle selbst wählen und sie ausnützen.
    Pomrath trat aufs Geratewohl in einen Laden. Man verkaufte hier Bücher. Keine Spulen; Bücher. Er betrachtete sie staunend. Billiges, schlechtes

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