Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Haar. Sie lächelte, begrüßte mich und stellte die üblichen Fragen. Es mangelte ihr allerdings diesmal an Interesse, wie mir schien; wahrscheinlich war das aber zu erwarten gewesen. Sie ließ mich in Oscars Büro warten; sie telefoniere mit ihm, sagte sie, er würde sicher gleich da sein.
Vier oder fünf Minuten später traf er ein. Er begrüßte mich so wie immer; er gratulierte mir, stellte eifrig Fragen – aber hier war es dasselbe. Er war nicht ganz bei der Sache, wie ich nach etwa einer Minute bemerkte, hörte meinen Antworten nur halb zu und nickte manchmal abwesend, noch bevor ich zu Ende gesprochen hatte. Nur zu bald stellte sich das Gefühl bei mir ein, dass er mich loswerden wollte, um wieder dahin zurückkehren zu können, woher er gekommen war. Denn er drängte mich in den Besprechungsraum, ohne mir Kaffee anzubieten, was nicht zu ihm passte und obwohl noch eine halb volle Kanne auf der Herdplatte in seinem Büro stand.
Die Unterschiede zu sonst nahmen kein Ende: Diesmal waren die anderen nicht in Oscars Büro gekommen, um mich zu sehen. An der Tür verabschiedete sich Oscar von mir, bat mich, einen kurzen, aber exakten Bericht des letzten Besuchs zu diktieren, gab mir einen Klaps auf die Schulter und eilte fort. Nun war nur noch der Techniker anwesend, der den Recorder bediente. Er legte eine neue Bandrolle ein, sagte nur Hi und nickte. Einen Augenblick später kam das Mädchen, das auf der elektrischen Schreibmaschine das Transkript erstellte, und bedachte mich mit einem automatischen Lächeln. Ich setzte mich und sprach meinen Bericht der letzten zwei Tage in das kleine Mikrofon. Ich machte es kurz, ließ aber nichts aus. Anschließend machte ich mich wieder daran, aufs Geratewohl Namen, Fakten und alles, was nachprüfbar war und mir in den Sinn kam, runterzudiktieren.
Nach zwanzig Minuten erkundige ich mich nach den anderen, und der Typ, der die Aufzeichnungsmaschine bediente und gelegentlich an den Rollen hantierte, sagte, dass sie eine Besprechung hätten; sie habe gestern begonnen und dauere noch an. Das erklärte einiges und erklärte es auch wieder nicht; ich bemerkte, wie in mir das kindische Gefühl aufstieg, vernachlässigt zu werden.
Man behielt mich diesmal doppelt so lange bei dem Auswertungsgespräch wie sonst. Nach fünfundvierzig Minuten sagte ich, dass mir nichts mehr einfalle. Der Techniker meinte, ihm sei aufgetragen worden, mich zu bitten, einige Stunden lang dabeizubleiben – eineinhalb Stunden mindestens. Wir drei bekamen lausigen Instant-Kaffee aus einer Maschine draußen im Gang, standen dann einige Minuten herum, zwangen uns dazu, den Kaffee zu trinken, und sprachen über das Wetter der letzten Tage, wozu ich nicht viel beitragen konnte. Ich hatte den Eindruck, dass ihnen aufgetragen worden war, mich nicht über den Besuch auszufragen, denn er wurde nicht erwähnt. Nach fünf Minuten nahmen wir unsere Arbeit wieder auf. Ich hielt eineinhalb Stunden durch, wobei die Pausen jedoch immer länger wurden. Nach einer Weile brauchte ich zwei bis drei Minuten, bis mir wieder etwas Neues einfiel, das ich hinzufügen konnte. In zwanzigminütigen Abständen kam der kahlköpfige Mann herein und nahm die Blätter, die das Mädchen getippt hatte, mit hinaus.
Schließlich kehrte Oscar Rossoff zurück. Ich war fast fertig und durchsuchte noch einmal die äußersten Winkel meines Gedächtnisses. Als er die Tür öffnete, nannte ich gerade den Namen eines Jungen, den ich zum letzten Mal in der siebten Klasse gesehen hatte; er war später weggezogen und ich hatte seither nie mehr an ihn gedacht. Oscar setzte sich, er sah müde aus. Er wartete darauf, dass ich fertig würde, und starrte gedankenverloren in eine Ecke des Raums. Ich sagte noch, dass Arizona 1912 als Staat in die Union aufgenommen wurde, dann stand ich auf, streckte mich und sagte, dass ich am Ende sei.
Das Mädchen tippte meine letzten Worte und zog das Blatt aus der Maschine. Der Aufnahmetechniker hielt das Band an, durchtrennte es bei den Spulen und nahm die Spule mit meinen Worten ab. Oscar sagte: »Sag Freddy, er soll warten, bis er ganz fertig ist, bevor er uns das Ergebnis mitteilt, okay?« Die beiden nickten und gingen.
Er wies auf den Stuhl neben sich, ich setzte mich, und er sagte: »Wir sind in einer Sitzung, Si; eine große, dicke, fette Sitzung. Sieht so aus, als ob wir das ganze Projekt sausen lassen, ich bin mir noch nicht ganz sicher. Wir wollen, dass Sie in die Besprechung kommen, aber ich muss Sie
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