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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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vorher zuerst über alles informieren. Es ist alles ganz einfach. Wir haben Sie bislang nicht damit belästigt, aber Sie müssen wissen, dass wir auch andere Versuche vorangetrieben haben, vor Ihnen und gleichzeitig mit Ihnen. Der Vimy-Versuch ist fehlgeschlagen. Es handelte sich dort um einen Frontabschnitt, der seit dem Ersten Weltkrieg unberührt ist: Franklin Miller kam aus einem Schützengraben, wo er mit einer Infanteriekompanie während eines simulierten viertägigen Artilleriebombardements gelegen hatte und sich gegen Ungeziefer zur Wehr setzen musste. Wirklichem Ungeziefer. Aber als er dort ankam, fand er nichts als leeres weites Land vor, der Stacheldraht war verrostet, die Unterstände eingefallen, ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende. Er ist bereits wieder zu Hause in Kalifornien.
    Zu jedermanns Überraschung, ja Erstaunen hat der Notre-Dame-Versuch vielleicht geklappt. Wenngleich es nicht einmal eine volle Minute gedauert hat, bis er die mentale Kontrolle über die Situation wieder verlor und sofort in das Hier und Jetzt zurückkehrte. Aber wir glauben – ich werde Ihnen bei Gelegenheit ausführlich davon erzählen –, dass er für eine Zeitspanne von vielleicht einem Dutzend äußerst aufgeregter Atemzüge an den Ufern der Seine stand, um drei Uhr morgens im Winter von 1451. Und der Denver-Versuch hat perfekt funktioniert. Ted Brietel trank in einem kleinen Lebensmittelladen an einer Straßenecke eine Flasche Limonade, die er sich gerade gekauft hatte, und unterhielt sich mit dem Ladeninhaber. Dann ging er hinaus in das Denver, Colorado, von 1901; kein Zweifel – genau wie Sie. Und genau wie Sie wurde er zur Überprüfung gebeten, nachdem er dort einen halben Tag verbracht hatte. Und darum geht es in der Versammlung, Si; wir haben letzte Nacht bis halb zwei getagt und heute Morgen bereits wieder um viertel vor neun Uhr begonnen.« Oscar runzelte die Stirn und rieb sich mit den Fäusten in den Augen, um Kopfschmerzen oder die Müdigkeit der letzten Nacht oder beides zu vertreiben.
    Er sah mich blinzelnd an und sagte dann: »Es gibt da nämlich etwas, eine Ungereimtheit, Si. Bei der Schlussüberprüfung der Auswertung, meine ich. Er nannte den Namen eines Freundes, mit dem er aufs College gegangen war: Knox College in Galesburg, Illinois. Ted hat ihn seitdem ein paarmal gesehen. Er lebte wie Ted in Philadelphia und war dort im Telefonbuch aufgeführt. Nur dass er dort jetzt nicht mehr lebt. Dort, wo er gearbeitet hat, hat niemand je von ihm gehört. In der Sozialversicherung wird er nicht geführt. In Knox gibt es über ihn keine Aufzeichnungen. Er existiert nicht, verstehen Sie.« Oscars Stimme war sachlich. »Außer in Teds Erinnerung, und Ted ist alleine. Denn was immer auch Ted in Denver, Colorado, im Winter 1901 getan oder gesehen hat, wie vorsichtig er auch immer gewesen sein mochte, er hat eben doch in ein Ereignis oder in Ereignisse eingegriffen. Irgendetwas wurde verändert und veränderte auch die nachfolgenden Ereignisse, die daraus entstanden.« Oscar zuckte leicht mit den Schultern. »Und dieser eine bestimmte Mann wurde deswegen niemals geboren. Das ist alles. Was sich sonst noch verändert hat, Dinge, von denen Ted Brietel nichts weiß – nun, wer kann das sagen? Vielleicht sehr viel, vielleicht auch nichts.« Wir starrten uns gegenseitig an; dann stand Oscar abrupt auf. »Darum geht es in der Konferenz; kommen Sie.«
    Die Leute blickten hoch, als wir den großen Tagungsraum betraten; er war gedrängt voll, fast jeder Stuhl war besetzt. Einige nickten mir abwesend zu, lächelten kurz, um ihre Aufmerksamkeit sofort wieder Dr. Danziger zuzuwenden, der ruhig in seinem Vortrag fortfuhr. Er sah gelassen aus, was von den anderen nicht behauptet werden konnte; die meisten Jacketts standen offen, Krawatten hingen schief, und niemand machte auch nur den Versuch, seine Müdigkeit zu verbergen. Es wurde viel geraucht und heftig in die Notizblöcke gekritzelt. Doch Danziger saß entspannt auf seinem Stuhl, wie üblich mit ordentlich zugeknöpfter Weste; die Beine hatte er übereinandergeschlagen, einen Arm um die Stuhllehne neben sich gelegt, die große venenreiche Hand hing locker herab. Oskar und ich setzten uns. »… Wissen, das wir nun haben, bedarf weiterführender Studien«, sagte er. »Man muss nicht den gesamten Meeresboden hoch in ein Labor schaffen. Denn allein die Untersuchung einer einzigen Bohrung und die Analyse der Schlussfolgerungen dauert Monate, oft sogar Jahre. Genauso

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