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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Füße gesehen; natürlich taten sie das nicht. Die Flamme wuchs langsam an, fraß sich über die Blätter und hätte noch immer leicht ausgetreten werden können; ich war mir sicher, dass ich sie in wenigen Sekunden hätte ersticken können, hätte ich nur eine Schulter durch die gelockerten Bretter gebracht. Julia und ich zogen unsere Schuhe an, um uns bereit zu halten, dann Hut und Mantel; unsere Augen waren noch immer an den Spalt gepresst. Ich war aufs Äußerste gespannt, bereit, sofort zu handeln, wenn das Feuer außer Kontrolle geriet. Ich lächelte Julia zu; ich war gespannt, hatte aber keine Angst, genau wie sie.
    Aber Jake war gefesselt, hilflos. Ich vermute, er versuchte, seine Worte zu unterdrücken; seine Zähne bissen auf die Zigarre; er schaffte es allerdings nicht. »Herrgott«, sagte er, »nein!« Dann blickte er Carmody an, ein flehender Blick. Er verachtete sich dafür, tat es aber trotzdem.
    Carmody schaute zurück. Fasziniert wandte er sich dann wieder dem tellergroßen Ring der leise knisternden, langsam vorwärtskriechenden Flamme zu. »Das ist die Lösung«, sagte er ruhig. »Ihre gottverdammten Akten zu verbrennen! Dann ist alles vorbei; ich habe einfach nicht daran gedacht.«
    »Carmody, um Gottes willen.« Jakes Stimme klang ruhig, doch dann brach es aus ihm heraus. »Binden Sie mich los!«
    »Und warum?« Er verhöhnte ihn nicht; es war eine ernsthafte Frage.
    »Carmody, das können Sie nicht tun. Was ist mit den anderen Menschen im Haus? Fremde, die Ihnen nichts getan haben!«
    »Sie werden entkommen; es gibt viele Treppen. Und das Gebäude ist sowieso wertlos; Potter wird froh sein, wenn es nicht mehr da ist.« Er grinste Jake an, nahm dann seinen Mantel vom Schreibpult und zog ihn an. Die Flammen konnten nach wie vor erstickt werden, das stand ganz außer Zweifel, und so wartete ich weiter ab. Sollte Carmody gehen, würde ich durch die Tür brechen, die Flammen austreten und Jake losbinden. Doch ich hoffte noch immer, dass Carmody Jake nicht zurückließ – er tat es auch nicht. Er ließ ihn ziemlich zappeln, während er in seinen Mantel schlüpfte. Dann grinste er. »Ich werde Sie losbinden. In einer Minute. Wir werden hinauslaufen und ›Feuer‹ rufen und das Gebäude verlassen. Niemand wird zu Schaden kommen.« Dann wartete er. Aber ein dicker Teppich aus übereinanderliegenden Blättern, wie der in diesem Raum, brennt nicht so leicht; um aufzulodern, braucht er Luft von unten. Eine Zeit lang weitete sich der Flammenring immer mehr aus. Dann veränderte er sich zu einem unregelmäßigen Oval, dessen Ränder verkohlt waren. Reglos standen Julia und ich da und schauten schweigend zu. Meine Gedanken waren beherrscht von dem Drang, nicht einzugreifen; sobald sie gegangen waren, würden Julia und ich das Gebäude verlassen können. Ich war nicht hier, um Ereignisse zu beeinflussen, und schon gar nicht, ein altes, verfallenes Gebäude zu retten.
    Aber Carmody runzelte die Stirn; er war nun ungeduldig geworden. Er beugte sich vor, nahm eine Handvoll Blätter, zerknüllte sie und warf sie in die Flammen, die nun qualmend aufloderten und laut knisterten. Dann fuhr er zu Jake herum, und seine Hände machten sich an den Gürtelschnallen an der Stuhllehne zu schaffen. Alles, was wir tun konnten, war, ruhig zu bleiben; Julia fügte sich, in ihren Augen aber wuchs die Verzweiflung.
    Dann waren die Schnallen offen, Jake sprang vom Stuhl auf, stolperte nach den langen Stunden verkrampften Sitzens und fiel nach vorne in die Flammen! Nur dass er nicht vor Schwäche hineingefallen war, er hatte sich auf das Feuer geworfen und wälzte sich wie ein Irrer darin; der Geruch von versengter Kleidung und versengten Haaren füllte das Büro. Er schaffte es beinahe, er war kurz davor, das Feuer zu ersticken. Da packte Carmody ihn am Fuß und zerrte ihn von dem Feuer weg; Jakes Hände griffen wild um sich, um irgendwo einen festen Halt zu finden. Er strampelte das Bein frei, stützte sich auf Hände und Knie und kroch zu dem Feuer zurück. Aber Carmody war schneller, er rannte zu dem noch immer brennenden Papierhaufen und schob ihn mit einem Bein unter dem untersten Brett durch; Julia und ich sprangen instinktiv zur Seite. Das brennende Papier schlitterte zwischen uns über den Boden und fiel hinunter. Sofort hörten wir, wie das Feuer in der Luft zu neuem Leben erwachte; als ich mich umdrehte und den Schacht hinabschaute, sah ich es unten als Feuerball auftreffen, auseinanderfallen und für einen Moment

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