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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Silhouette ihres langen Kleides zu sehen, die dann im Schatten verschwamm, um im nächsten Lichtkegel wieder hervorzutreten. Ich traf sie am südlichen Ende des Parks; sie lächelte erleichtert, als sie mich sah, ich nahm ihren Arm, und wir gingen zur anderen Parkseite, als wüssten wir genau, wohin wir wollten. Ich erzählte ihr, was passiert war, dass wir noch immer kein Geld hatten, und sie schloss einen Augenblick lang die Augen und sagte »Oh nein.«
    »Was ist denn?«
    »Ich bin so schrecklich müde, Si. Ich kann einfach nicht mehr.« Dann lächelte sie, drückte meinen Arm fester, und ich lächelte zurück; es gab nichts, womit ich sie ermutigen konnte. Sie war bei einem Botenservice gewesen, bald nachdem wir uns getrennt hatten, sagte sie, und hatte eine handschriftliche Botschaft an ihre Tante geschickt; es ginge ihr gut, hatte sie geschrieben, sie sei eine Zeit lang fort, wenn sie wieder zurück sei, würde sie alles erklären. In der Zwischenzeit solle sich ihre Tante keine Sorgen machen. »Natürlich macht sie sich Sorgen«, sagte Julia, »aber sie hat wenigstens ein Lebenszeichen von mir bekommen. Es war das Beste, was ich machen konnte. Ich wünsche mir …« Sie zuckte zusammen, und ich bemerkte die Polizisten, die die 5th überquerten und auf den Platz zukamen. Rasch kehrten wir um und gingen denselben Weg zurück und hofften, dass sie uns zwischen den Sträuchern und Bäumen nicht gesehen hatten. Es schien sinnlos, dennoch zögerten wir instinktiv unsere Gefangennahme hinaus.
    Als wir uns dem südlichen Ende des Parks näherten, sah ich auf dem Gehweg der 23rd Street einen Polizisten stehen. Sein Rücken war uns zugekehrt, er konnte uns nicht sehen und dachte wahrscheinlich an alles andere als an uns. Wenn wir jedoch den Park verlassen hätten und an ihm vorbeigegangen wären, hätte er uns entdeckt. Also drehten wir wieder um. Weiter oben, noch immer zwei Drittel der Länge des Parks vor uns, kamen die beiden Polizisten auf uns zu; sie unterhielten sich. Wir konnten uns nun nach Osten oder Westen wenden, es spielte keine Rolle; wir nahmen den ersten Weg, der nach Westen zur 5th führte. Julia eilte an meiner Seite weiter; als sie anfing zu sprechen, hörte ich ihrer Stimme an, dass sie den Tränen nahe war. »Si, ich muss stehen bleiben, muss es einfach. Lass mich ruhig hier auf der Bank sitzen, und geh du weiter. Komm später zurück, und wenn ich dann noch da bin …«
    Aber ich schüttelte den Kopf und zog sie mit Gewalt weiter. Ich zwang sie, schnell weiterzugehen, wir rannten beinahe. Etwas an diesem Weg, das Aussehen der Bäume, die Anordnung der Bänke kam mir plötzlich bekannt vor. Ich war hier schon einmal entlanggegangen, und – ja, da war er. Wir folgten der Wegbiegung, und vor uns kam sie schließlich in Sicht, die dunkle, fast formlose Masse, hinter den großen Kronen der nackten Bäume. Aber ich erkannte sie. Als wir die Kurve hinter uns hatten, war er plötzlich deutlich zu sehen, fahl hob er sich gegen den dunklen Himmel ab: der riesige rechte Arm der Freiheitsstatue, die Spitze der großen Fackel hing gleichsam hoch über den Bäumen.
    Wir stiegen schnell und leise die Wendeltreppe hoch, und dann konnten wir uns endlich hinsetzen, draußen auf der runden, mit einem Geländer abgesicherten Plattform an der Basis der großen metallenen Flamme. Das verzierte Geländer verbarg uns, wir aber konnten hindurchblicken, hinunter auf die dunkle Stadt. Schweigend saßen wir da, hörten die Geräusche und beobachteten die schwachen Lichter des Verkehrs auf der 5th Avenue. Es war kalt. Wir spürten das kalte Metall durch unsere Kleidung. Für eine kleine Weile aber – wir konnten einfach sitzen bleiben, wir mussten nicht weiterlaufen – war es genug. Wenn jemandem einfiel, hier hochzukommen, um nach uns zu suchen, dann gab es kein Entkommen mehr. Byrnes hatte uns, wenn nicht in den Abgrund, so doch in eine Sackgasse getrieben. In diesem Augenblick jedoch kümmerten wir uns nicht darum. Vom Licht der Laternen auf dem Platz matt erhellt, schimmerte das Kupfer, an dem Julias Kopf ruhte; ich sah sie müde lächeln. »Wie gut das tut«, murmelte sie, »wie gut es tut, nicht mehr laufen zu müssen.« Sie öffnete ihre Augen, sah, dass ich sie anschaute, lächelte wieder, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie es nicht so meine, und sagte: »Wenn wir nur etwas zu essen hätten.« Ich erinnerte mich an mein eigenes Essen, grinste und holte das zerdrückte Sandwich und die zerdrückten Eier

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