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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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und ohne Aufsehen zu erregen, ging ich zur Lexington Avenue hinüber. Zwei Laternenanzünder bewegten sich dort durch die Straße und entzündeten die Lichter. Bevor ich den Gramercy Park erreichte, war es dunkel.
    Das eingezäunte Rechteck des Gramercy Park lag nun genau zwischen mir und der Nummer neunzehn. Ich stand im Schatten zwischen zwei Straßenlaternen und blickte durch die nackten Zweige und schwarzen Eisenpfosten des Zauns, über das schneebedeckte Gras und die Büsche hinüber zum Haus. Die Fenster unten – Salon, Esszimmer, Küche – waren erleuchtet, ebenso die Fenster oben. Am unteren Fenster sah ich jemanden, Byron Doverman oder Felix Grier, mit der Zeitung in der Hand vorbeigehen. Und nun gingen die Lichter oben aus. Dann, zwischen den Sträuchern, dem Zaun und den Bäumen kaum zu erkennen, erblickte ich auf der anderen Seite des Parks den Polizisten. Langsam ging er am Haus vorbei.
    An der Ecke des Platzes kehrte er um und schlenderte ebenso langsam wieder zurück, am Haus vorbei, zur anderen Ecke. Er drehte sich um und ging zurück; ich holte meine Uhr heraus und stoppte die Zeit. Er brauchte genau eineinhalb Minuten, um an dem Haus vorbei bis zur Ecke zu gehen und sich dann umzudrehen; und dieselbe Zeit für den Rückweg. Sechsmal, die Uhr in der Hand, beobachtete ich ihn, hin und her, der immer gleiche Weg, so regelmäßig wie meine Uhr; jedes Mal brauchte er eineinhalb Minuten. Wenn ich meine Bewegungen mit ihm abstimmte, wäre es möglich, um den Platz herumzugehen und dann in seinem Rücken leise zum Haus zu schleichen, wo ich mit meinem Schlüssel die Tür aufsperren und hineinschlüpfen könnte, bevor er wieder zurück war. Die Treppe hoch in mein Zimmer, innerhalb weniger Sekunden hätte ich mein Geld. Dann wieder hinunter, durch den Türspalt könnte ich den Polizisten beobachten, dann hinaus und hinter seinem Rücken wieder fort.
    Aber ich setzte mich nicht in Bewegung: Sollte es wirklich so leicht sein, Byrnes ein Schnippchen zu schlagen? Der Mann hatte Julia und mir eine Falle aufgebaut und bislang nichts dem Zufall überlassen. War dieser Polizist, an dem man anscheinend so leicht vorbeischleichen konnte, wirklich das, was er darzustellen schien? Ich beobachtete ihn, wieder vollführte er seine Runde genauso wie vorher, und dann wieder. Vielleicht war es wirklich so leicht – nur ein Polizist, nicht Byrnes persönlich; ein Mensch, der seinen ermüdenden Job tat und in einen gleichmäßigen Rhythmus verfiel. Einige Meter ging ich am Zaun entlang, beobachtete ihn erneut – und dann sah ich ihn. Vollkommen reglos – er musste fürchterlich frieren, egal, wie viele Mäntel er anhatte – saß ein Mann auf einer Bank im Park und blickte auf die Nummer neunzehn. Er trug dunkle Kleidung, der Mantelkragen war hochgeschlagen, er war, bewegungslos im Dunkeln des Parks sitzend, fast unsichtbar. Dort saß er und wartete auf mich oder Julia. Und dann, wenn wir durch die Eingangstür wären, ein leiser Pfiff, und der Polizist, der bislang immer den Gehweg auf- und abgegangen war, würde umkehren und zur Tür laufen.
    Unwillkürlich wich ich ein oder zwei Schritte zurück, dann wandte ich mich um und ging leise davon. Es waren nur einige Blocks zum Madison Square; obwohl ich sie vorsichtig zurücklegte, war ich mir nun sicher, dass sie uns schnappen würden. Falls ich Julia nicht einfach im Stich ließ, was ich nicht vorhatte, hatte uns Byrnes in der Falle. Ohne Geld oder Essen war es sinnlos, sich irgendwo zu verstecken. Wie er es geplant hatte: Als ob er alles bereits vorausgesehen hätte, bevor er uns überhaupt gefangen nehmen ließ. Wollte er uns töten, während wir uns ›der Festnahme entzogen‹? Vielleicht, es wäre die einfachste und schnellste Lösung, um sich mit Carmody in dessen Büro in der Wall Street treffen zu können. Oder wollte er uns fangen? Wahrscheinlich spielte es für ihn keine Rolle. Unsere ›Flucht‹ bewies unsere Schuld, zumindest bewies es nicht, dass wir unschuldig waren. Zwei solch mächtigen Männern wie Byrnes oder Andrew Carmody wäre es im Jahre 1882 nicht schwergefallen, uns vor einem Gericht nach unserer versuchten Flucht des Mordes anzuklagen und verurteilen zu lassen. Alles, was ich noch tun konnte, war, bei Julia zu bleiben; ich musste es tun, ohne große Hoffnung auf eine Lösung, wofür, war mir selbst nicht ganz klar.
    Ich sah sie von der 5th Avenue den Park betreten; sie ging schnell, zielstrebig. Im Licht der Laterne war deutlich die

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