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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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mir hier blieb. Ich fuhr herum und warf mich buchstäblich vor seine Füße – eine Aktion, die er wahrscheinlich noch nie gesehen hatte; ein Football-Tackling von vorne. Ich hatte in der Highschool ein wenig Football gespielt, bevor die Spieler für mich zu groß geworden waren. Nun traf ich mit der linken Schulter seine Schienbeine, meine Arme schlangen sich um seine Knie – ein Tackling, wofür es normalerweise mindestens eine Hundert-Yard-Penalty gegeben hätte –, und er fiel über meine Schulter auf die Straße. Ich dachte, meine Schulter sei gebrochen. Der Schmerz erinnerte mich daran, warum ich das Spiel aufgegeben hatte; aber schon stand ich wieder und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon. Ich blickte zurück; er lag noch immer dort. Fünfzehn weitere schnelle Schritte mitten auf der Straße, einige Kutscher drehten sich nach mir um, dann schaute ich wieder zurück. Er war nun auf seinen Knien und holte aus seiner Hintertasche einen großen nickelbeschlagenen Revolver. Ich befand mich nun im Schutz der Pfeilerreihe und warf immer wieder einen schnellen Blick über die Schulter. Mit beiden Händen zielte er sorgfältig; er wollte mich also fassen; so leicht wollte ich es ihm nicht machen. Abrupt bremste ich ab, sprintete dann wieder los; er feuerte, die Kugel traf einen Pfeiler und erzeugte einen überraschend lauten metallischen Ton. Die Leute auf dem Gehweg blieben wie erstarrt stehen, keiner von ihnen schien geneigt, die Straße betreten zu wollen. An der Ecke bog ich nach Osten ab, in die entgegengesetzte Richtung, in die Julia gelaufen war; der Revolver feuerte erneut. Ich überdachte meinen Zustand und beschloss, dass ich nicht getroffen war.
    Ich war nun um die Ecke, außerhalb der Schusslinie. Er war weit hinter mir, wahrscheinlich rappelte er sich gerade auf; ich würde es vielleicht bis zur 2nd Avenue schaffen, wenn meine Kondition mich nicht vorher im Stich ließ. Die letzten paar Meter musste ich keuchend zurücklegen; als ich mich umdrehte, war von ihm nichts mehr zu sehen. An der 2nd wandte ich mich nach Süden und war erst einmal in Sicherheit – es gab ja keine Funkgeräte, keine Streifenwagen, kaum Telefone.
    Vier Blocks weiter betrat ich einen Saloon, bestellte einen Krug Bier, nahm einige Schluck, ging dann durch den düsteren Flur zur Toilette, wo ich sechs oder sieben Minuten einfach mit Herumstehen zubrachte, kehrte zurück und nahm noch ein paar Schluck. Ein halbes Dutzend Männer stand am Tresen, doch sie schenkten mir keine Beachtung. Dann nahm ich mir von dem Tisch mit den freien Lebensmitteln ein Schinkensandwich, zwei hart gekochte Eier und eine Dillgurke, schlenderte zurück an den Tresen und verzehrte sie zusammen mit dem Bier. Bevor ich aufbrach, holte ich mir noch einmal zwei von den Eiern und ein dickes Käsesandwich, die ich in der Tasche meines Mantels verschwinden ließ.
    Fünfzehn Minuten lang stand ich in einem Türeingang; gelegentlich, falls mich jemand von gegenüber beobachten sollte, zog ich meine Uhr heraus und warf einen Blick darauf, so, als warte ich auf jemanden. Dann ging ich die 2nd hinab. Zweimal kam eine Pferdebahn an mir vorbei, von der ich mich jetzt allerdings fernhielt; ich wollte jederzeit flüchten können. An der 37th Street sah ich vor mir einen Polizisten, ich bog ab, ging zur 3rd Avenue und dann wieder nach Süden. Sieben oder acht Blocks weiter tauchte ein Polizist aus der 29th Street auf; er war keine zehn Meter von mir entfernt, sah in meine Richtung, sagte »Hey!« und kam dann schnellen Schritts auf mich zu. Ich blieb stehen. Er war viel zu nah, um wegzurennen; er hätte mich leicht in den Rücken schießen können. Einige Schritte vor mir, am äußeren Rand des Gehwegs, waren ein Mann und eine Frau ebenfalls stehen geblieben. Der Polizist, der jetzt seinen Helm abnahm, baute sich vor ihnen auf. Als ich vorüberging – so leise wie nur möglich, am liebsten wäre ich unsichtbar gewesen  – zog er aus seinem Helm die Fotografien heraus. Das Paar war, soweit ich das erkennen konnte, jung, das Kleid der Frau, dessen Saum unter dem Mantel zu sehen war, hatte die gleiche Farbe wenn auch nicht denselben Ton wie das Julias, der Mantel des Mannes glich entfernt dem meinen. Sie trafen tatsächlich auf die Beschreibung zu, die Byrnes diktiert hatte; während ich weiterging, hörte ich, wie der Polizist dem Mann befahl, ihm ins Gesicht zu sehen – er verglich nun sicher dessen Gesicht mit meiner Fotografie. So schnell wie möglich

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