Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Rube einen Häuserblock entlang und starrte mit vorgerecktem Kopf konzentriert durch die Windschutzscheibe, bis er in einen gleich neben der Straße liegenden Parkplatz einbiegen konnte. Er stieg aus, suchte in seiner Tasche nach Kleingeld für die Parkuhr, aber alle standen auf Rot, und andere Wagen waren nicht abgestellt. Erst drei Blocks weiter sah er zwei Wagen, beides Kleinlaster. Zum Teufel damit, dachte er, wahrscheinlich leeren sie die Parkuhren gar nicht mehr.
Als er ausgestiegen war, sah er sich um. Nirgendwo rührte sich etwas, kein Mensch war auf der fünf Block langen Main Street unterwegs. Der Gehsteig lag still in der Morgensonne; er setzte seinen Weg fort und hörte nichts außer seinen eigenen Schritten.
Einen Häuserblock vor ihm trat ein Mann in blauen Jeans, dunklem Hemd und einer gelben Schirmmütze aus einem Geschäft auf den Gehweg. Er war jung, groß, trug einen dicken Schnurrbart, war von gedrungener Statur und trug einen dicken Bauch vor sich her. Er stieg in einen roten Laster mit riesigen Reifen. Als er die Tür zuschlug, wurde der metallene Schlag von den Wänden des Geschäfts zurückgeworfen – das einzige Geräusch in der Straße, bis er den Motor anließ und davonfuhr.
Rube kam an einem Herrenbekleidungsgeschäft vorbei; eines der beiden Schaufenster war mit Arbeitsschuhen, Stiefeln und Cowboyboots vollgestopft. Vorbei an den Fenstern von zwei Bars, hinter denen er nichts erkennen konnte, und an Geschäften, die mit längst verwitterten Sperrholzbrettern zugenagelt waren, deren äußere Schicht schon abblätterte. Die meisten Häuser, an denen er vorbeikam, bestanden aus zwei Stockwerken, nur wenige hatten drei. An einigen der oberen Fenster hingen Schilder: ein Arzt, ein Rechtsanwalt, ein Fußpfleger. An manchen Häusern sah er Erker mit spitz zulaufenden kleinen Dächern. Er blickte in die Seitenstraßen, an denen er vorbeikam: Häuser, sehr alte Holzhäuser. Viele von ihnen besaßen Veranden mit reich verzierten Dächern, doch waren oftmals Teile davon herausgebrochen. All diese Häuser waren schon sehr lange nicht mehr gestrichen worden, einige zum Schutz gegen Regen provisorisch mit schwarzer Teerpappe abgedeckt. Die Fenster eines Hauses waren mit einer grauen, von der Sonne ausgeblichenen Decke verhängt. Der Rasen war verschwunden, nur zerdrücktes Gras und der Schlamm des Winters waren übrig geblieben, dazwischen Spuren von Autoreifen. Auf einigen dieser ehemaligen Rasenflächen standen Autos, andere in den mit Schlacke oder Schlamm verunstalteten Einfahrten. Alle Autos waren alte, große amerikanische Wagen. Alle hatten im Laufe der Jahre ihre Farbe eingebüßt, das Blech war verbeult, manche hatten Schlagseite. Ein neuer Laster mit hohen Reifen war halb auf dem Gehweg, halb auf der Straße geparkt.
Vorbei an einem kleinen, mit Stuck verzierten Kino, die schmalen hohen Glaskästen für die Fotos waren leer, das Glas zerbrochen, darüber die Buchstaben Geschlossen. An einer Ecke befand sich ein kleiner Lebensmittelladen, die Tür stand offen. Drinnen gab es einen Glaskasten voller Flaschen: Dutzende von Whiskeysorten, daneben Gin, Wodka, Brandy. Alles Halfpint-Flaschen; die gläsernen Schiebetüren des Kastens waren verschlossen. Rube betrat den Laden und nickte dem Mann im mittlerem Alter zu. »Gibt es hier einen Bürgermeister?«
Der Mann schüttelte den Kopf, in seinen Augen stand Belustigung. »Gibt’s nicht.«
»Gibt es ein Rathaus?«
»Nein. Nicht mehr. Es gibt die Stadt nicht mehr, mein Freund. Wir sind nur noch eine County. Wen suchen Sie?«
»John McNaughton.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nö.«
Draußen an der Straßenecke blickte sich Rube wieder um. Vor ihm teilte sich die Straße und ging links und rechts an einem kleinen Platz vorbei, der etwas höher als die Straße lag. Die Pflastersteine des Gehwegs waren vom Frost hochgeschoben und standen nun heraus, einige fehlten ganz. Der Platz war einmal geteert gewesen, der Asphalt aber inzwischen aufgebrochen, teilweise war sogar der Untergrund zu sehen, daneben die Überreste weißer Linien, die Geister alter Parkplatzmarkierungen.
Was nun? Kaffee. Gerade vor ihm befand sich Larry’s Place; er ging darauf zu und warf einen Blick hinein. Es hatte geöffnet: hinter der Theke der Besitzer mit Schürze, an der Theke ein Gast über seinen Kaffee gebeugt. Rube ging hinein, bestellte einen Kaffee, während er sich an der Theke niederließ, und wandte sich dem anderen Mann zu, als der ihn ansah. »Major!
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