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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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So oft wie möglich, wenn er in der Stadt etwas vorhatte, ging Rube Prien zu Fuß, um in Form zu bleiben. An diesem Morgen trug er einen sorgfältig gebügelten, olivgrünen Garbardineanzug, ein weißes Hemd, eine dunkelblaue Krawatte und einen braunen Hut. Der Tag war sonnig und kühl, und er stellte zufrieden fest, dass er auch nach neunzehn Häuserblocks noch nicht schwitzte, obwohl er – wie gewöhnlich – andere Fußgänger überholt hatte. Er glaubte, dies bewies, dass er noch in Form war.
    Schultern, Ellbogen und Beine bewegten sich geschmeidig, ihr Rhythmus war pure Freude für ihn, die Luft strich über sein Gesicht, er fühlte sich entspannt, beinahe befreit von allen Gedanken. Aber etwa zwanzig Blocks weiter, als er die 59th Street überquerte – er schaute abwägend zum Plaza Hotel hinüber –, um entlang des Central Parks weiterzugehen, empfand er eine Spur von … Besorgnis? Unwohlsein? Irgendetwas. Es nahm zu, und plötzlich hatte es ihn wieder in seiner Gewalt. Er spürte es im Magen, spürte, wie es schnell immer stärker wurde. Er blickte sich um, kurz davor, loszubrüllen, zu fluchen, die Kontrolle über sich zu verlieren. Nach der 62nd Street, er streifte das Gebäude, in dem er einen Termin bei dem Arzt hatte, nicht einmal mit einem kurzen Blick, bog er an der 72nd Street in den Park ein und durchquerte ihn; er schwitzte nun, eilte, war wütend, von Furcht ergriffen, die Augen leuchteten vor Neugier. Weiter nach Westen, dann wieder nach Norden, Häuserblock um Häuserblock, immer weiter.
    Dann kam er durch ein schäbiges, heruntergekommenes kleines Industriegebiet. Die Autos waren dicht an dicht auf beiden Seiten der schmalen Straßen geparkt, die Gehwege mit Papier und Plastikabfällen, Zeitungsfetzen, Plastiktassen, zerquetschten Dosen, Styroporverpackungen, Flaschen und Glassplittern bedeckt. Buzzbannisterleuchtreklame lautete ein nicht erleuchtetes Neonschild in dem Fenster eines schmutzig weißen Gebäudes; in den Fenstern stapelten sich Pappschachteln. Fiore Brothers. Großhandel; ein schweres Vorhängeschloss an der Tür, davor lag ein ausgetretener alter Schuh. Niemand war zu sehen, keine Seele. Er ging weiter, schnell, als ob er wüsste, wohin er wollte, an welchen Ecken er abbiegen musste, um dorthin zu kommen.
    Dann war es vorbei. Hilflos stand er auf dem Gehweg, wie ein Hund, der seine Spur verloren hatte. Unsicher ging er weiter. Blieb stehen, um sich umzublicken, nach Merkmalen zu suchen, die ihm bekannt waren, fand sie aber nicht. Lief weiter und suchte nach einem Straßenschild.
    Das Gefühl kam wieder über ihn, er drehte sich um und ging einen Block zurück, bog an der Ecke nach Westen ab, und blieb stehen. Dort war es. »Das ist es«, sagte er sich, »das ist das …« Was? Vor ihm befand sich ein sechsstöckiges rotes Backsteingebäude, die Mauern ohne Fenster, abgesehen von einem Büro im Erdgeschoss an der hinteren Ecke. Aber es sah richtig aus. Flaches Dach; oben konnte er die konische Spitze des altmodischen Wasserturms erkennen. Ja. An der Wand, unterhalb der Regenrinne, las er in verwitterter Farbe den Namen: BEEKEY BROTHERS; UMZÜGE UND LAGERUNG 555-8811. Auf einem gemalten Schild: NAH- UND FERNTRANSPORTE. LAGERUNG IST UNSERE SPEZIALITÄT; LKW-VERLEIH. Ein grüner Beekey-Truck mit goldfarbener Schrift stand vor einem Metalltor an der Seite des Gebäudes. Das war es, was immer es auch bedeuten mochte. Rube Prien ging an dem blockgroßen Gebäude entlang zu der Tür, die er innerlich vor sich sah.
    Da war sie. Am Ende des Gebäudes. Eine gewöhnliche unbeschriftete, von Wind und Wetter verblichene graue Tür; hier und da schälte sich in schmalen Streifen die Farbe ab. Er klopfte, hörte Schritte auf einem Holzboden, die Tür öffnete sich, und er sah, was er erwartet hatte: einen jungen Mann in weißem Overall. »Hi. Kommen Sie rein.« Der Mann drehte sich gerade um, als Rube eintrat. Bogenförmig stand auf dem Rücken seines Overalls zu lesen: Beekey Brothers. Umzüge.
    Rube warf noch einen Blick um sich und zog dann die Tür hinter sich zu. Er kannte diesen kleinen Raum: den alten Eichentisch, hinter dem sich der junge Mann – sein Name, gut sichtbar in rotem Garn über die Brusttasche gestickt lautete Dave  – nun niederließ. Rube kannte den Holzstuhl, den Dave ihm jetzt zum Sitzen anbot. Kannte die gerahmten Fotografien an den Wänden: Umzugsmannschaften, die neben ihren Lastern Aufstellung genommen hatten; The Gang war eines untertitelt. Einige der

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