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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Laster waren alt, die Führerkabine ohne Dach, ohne Windschutzscheibe, die Lenkräder riesig und fast senkrecht. In weißer Schrift standen unter den Mannschaften die Daten: 1935, 1938, 1912, 1919.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Rube drehte sich um, ergriff die Lehne des leeren Stuhls und sagte: »Kennen Sie mich?«
    »Nein, das kann ich nicht behaupten.« Höfliche Stimme.
    »Ich war bereits einmal hier. Ich weiß, dass ich hier war.« Aber Dave schüttelte den Kopf. »Nun …« Rubes Kopf produzierte mühelos eine Antwort. »Ich … ziehe ein kleines Geschäft auf. Habe einige Sachen zum Einlagern. Wenn ich mich eben umschauen könnte?«
    »Klar.« Dave stand auf, ging zu einer metallverkleideten, grau gestrichenen Tür, öffnete sie und hielt sie für Rube auf, der an ihm vorbei einen kleinen Raum mit Betonboden betrat, der von einer einzigen nackten Glühbirne beleuchtet wurde. Dave drückte den Knopf neben dem Aufzugsschacht, sie hörten es oben im Schacht klacken, dann gleichmäßig näher kommendes Summen. Rube verhielt sich ruhig und ohne sich etwas anmerken zu lassen; alles hier war ihm äußerst vertraut, bis hin zu den Kratzern auf den grün lackierten Aufzugstüren. Und dennoch – was erwartete ihn dort?
    Hinauf zum obersten Stockwerk; die Türen glitten auseinander, Rube trat hinaus und blieb so abrupt stehen, dass Dave fast gegen ihn gestoßen wäre. Sie standen am Anfang des Ganges, der sehr breit und so lang war, dass die Wände in weiter Entfernung zusammenzulaufen schienen. Mit Schutzgittern versehene Glühbirnen an den Decken warfen einen fahlen Schein in den Gang, der kaum erhellte Holzboden war mit den Jahren von Eisenrädern sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. An beiden Seiten des Ganges befanden sich – wie Häuser an Straßenseiten – Kabinen, die durch auf Holzrahmen gespannten Maschendraht voneinander abgetrennt wurden; die einfachen Türen aus dünnen Brettern waren mit Nummern und Vorhängeschlössern versehen. Rube marschierte los, die Schultern kampfeslustig vorgereckt. Sein Kopf fuhr erbost hin und her, von einer Seite zur anderen, und besah sich die jeweils nächsten Abteile: Küchenmöbel, Stühle, die umgedreht auf Tischen lagen; ein Raum, der mit schirmlosen Lampen vollgestellt war, ein weiterer, brusthoch gefüllt mit Gemälden; weitere Möbel. »Was ist das denn«, knurrte er wütend. »Verdammt noch mal, was soll das denn sein?«
    Dave ließ sich mit der Antwort Zeit. »Das ist ein Lagerplatz, was glauben Sie sonst? Das ist eine Umzugs- und Lagerfirma.«
    »Und … was ist mit dem Rest? Den anderen Stockwerken?«
    »Drei weitere wie das hier. Und darunter ist das Zwischenlager, Zeug, das auf Laster verladen und woanders hin transportiert wird. Sie sagten, Sie waren schon einmal hier?« Aber Rube hatte sich bereits abgewandt; zurück zum Aufzug.
    Draußen auf der Straße – wieder ging er schnell – fand er am Straßenrand der 6th Avenue ein Taxi, öffnete die Tür, wollte schon ›Bibliothek an der 5th‹ sagen, gab dann aber seine Privatadresse an. Eine Weile später, nachdem er sich in die Polster zurückgelehnt hatte, versuchte er sich an das zu erinnern, was er gesehen und was er nicht gesehen hatte, und murmelte »Oscar …« Er wiederholte den Namen, nun bewusst, »Oscar«, wartete, dass noch mehr kam, aber als nicht mehr kam, fluchte er leise und starrte hinaus auf die Straße.
     
    An diesem Abend, seinen Gabardineanzug hatte er vorsorglich in den Schlafzimmerschrank gehängt, um keine Knitterfalten zu riskieren, saß Rube in einem der Polstersessel, der zur Ausstattung seines möblierten Apartments gehörte, gegenüber dem Fenster. Er war barfuß, trug ein ärmelloses Unterhemd und eine verwaschene blaue Pyjamahose. Auf seinem Schoß lag ein Clipboard mit einem leeren Blatt Papier und einem Stift. Er las nicht, horchte auf nichts Bestimmtes, betrachtete nichts, die Augen waren in eine unbestimmte Ferne gerichtet. Er versuchte, sich von allen bewussten Gedanken frei zu machen – so saß er im Schimmer des orangefarbenen Lichts der Straßenlaterne, das von der Decke reflektiert wurde. In seinem Glas befand sich ein abgemessenes Quantum Bourbon-Whiskey mit Wasser, gelegentlich nippte er daran, starrte aus dem Fenster und wartete. Seine nackten Unterarme und der Bizeps sahen kräftig aus; das Erste, was er jeden Morgen tat, Sekunden nachdem der Wecker geklingelt hatte, waren Liegestütze.
    Schließlich sagte er »Dan…« und wartete. »Dan…forth?

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