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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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glückliches, Dr. Danziger.«
    »Rube, Rube« – Danziger lachte und klopfte Rube leicht auf die Schulter – »Sie werden sich wohl nie ändern, nicht wahr? Wie lange ist es her, drei oder vier Minuten? Seitdem Sie erfahren haben, was diese Zeitung wirklich bedeutet. Und schon sind Sie wieder mittendrin.«
    Rube lächelte erneut. »Nein. Denn ich weiß nicht, was ich da soll. Wenn Si jetzt hier wäre, wüsste ich nicht einmal, was ich ihm sagen sollte. Ich bin kein ausgebildeter Historiker, das wissen Sie. Erst als ich in die Army eingetreten bin, habe ich mich damit beschäftigt. Und mein Spezialgebiet ist Militärgeschichte, vor allem die beiden Weltkriege in Europa. Über amerikanische Geschichte und Innenpolitik weiß ich nicht mehr als ein durchschnittlicher Highschool-Schüler in seinem letzten Jahr. Aber es gibt Leute, die mehr wissen. Leute, die vielleicht wissen, wie dieser Krieg hätte vermieden werden können. Und beinahe wäre er vermieden worden. Dr. Danziger, ich denke nicht an ein kleines Experiment, das von Esterhazy und mir ausgekocht wird. Irgendeine kleine Veränderung der Vergangenheit, die vielleicht die Gegenwart auf ebenso geringfügige Weise verändert. Ich denke an die Möglichkeit, den Ersten Weltkrieg zu verhindern. Ich weiß, Sie können Si Morley erreichen; es wäre an der Zeit, es jetzt zu tun.«
    »Ach ja? Und warum?«
    »Herrgott. Den Ersten Weltkrieg verhindern – wenn das möglich wäre. Und Sie fragen, warum?«
    »Aber ja.« Danziger deutete auf die Zeitung in Rubes Hand. »Zeigen Sie mir doch die Ausgabe vom darauffolgenden Tag. Und die einen Monat später. Und ein Jahr später. Ein Jahrzehnt. Was hätte diese Zeitung uns zu sagen? Über die Natur der Welt. Wer kann uns versichern, dass die Welt, hätte es den Ersten Weltkrieg nicht gegeben, nun ein Paradiesgärtlein wäre?«
    Rube starrte auf die unbelebte Straße. »Gewissheit«, murmelte er. »Gewissheit, Sie sind besessen davon!« Dann blickte er Danziger fest in die Augen. »Wer zum Teufel kann denn jemals etwas mit Gewissheit behaupten? Einschließlich seines nächsten Atemzugs. Wir beeinflussen die Zukunft alleine dadurch, dass wir hier stehen. Irgendein Wahnsinniger wartet vielleicht dort drüben und beobachtet uns und löst damit eine verrückte Gedankenfolge aus, die darin endet, dass er die ganze verdammte Welt in die Luft sprengt.«
    »Dagegen können wir nichts tun. Aber wir dürfen das Geschehen nicht einfach rückgängig machen.«
    »Doch, das dürfen wir. Wenn wir es können, müssen wir es sogar.«
    »Ich habe Ihnen schon viel zu lange zugehört. Nein, ich werde Ihnen niemals helfen, Rube, niemals.«
    Rube nickte einige Male, dann lächelte er dieses tiefe, freundliche, offene Lächeln, für das ihn die meisten Menschen mochten. »Okay«, sagte er und reichte impulsiv dem alten Mann die Zeitung. »Hier, Dr. Danziger, ein Souvenir. Sie können es haben.«
    »Nein, nein, Rube. Sie müssen sie behalten, sie gehört zu …«
    »Sie sind der Einzige, der herausgefunden hat, was sie wirklich bedeutet; ich möchte, dass Sie sie behalten. Meine Bekannte, die Leutnant bei der Army ist, wird sicherlich eine Erklärung dafür finden, warum ich sie nicht mehr zurückgebracht habe; sie mag mich.« Er sah sich in dem Zimmer um, auf der Suche nach einem Platz, wo er sie hinlegen konnte. Dann ging er zu Danzigers Schreibtisch, auf dem sich die Papiere nur so häuften. Seine Augen suchten nach einem freien Platz, er schob das Telefon und den dazugehörigen Notizblock zur Seite und legte die Zeitung hin; in demselben Moment, in dem er sie erblickte, lernte er die zehn Zahlen auswendig, die auf dem Block notiert waren.
    Er ging die mehr als zwanzig Häuserblocks, darunter fünf, die kein Ende nehmen wollten, nach Hause. Es gefiel ihm, in dieser frühen Morgenstunde an der frischen Luft zu sein; er betrachtete die Autos, die gelegentlich vorbeifuhren und die wenigen Fußgänger, machte sich über sie Gedanken und sah ihre Zahl zunehmen. Er sah, wie der nächtliche Himmel sich verfärbte, und versuchte genau den Augenblick wahrzunehmen, in dem die Nacht aufhörte und der Morgen begann. Er dachte über die Zeit nach und fragte sich, ob der Mensch sie jemals begreifen würde.
    Als zwei Stunden und zwanzig Minuten, nachdem er zu Hause angekommen war, der Wecker klingelte, der Lärm der Stadt und die Straßen im Tageslicht zum Leben erwacht waren, rollte sich Rube auf seinem Bett zum Telefon und wählte sieben der zehn Zahlen –

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