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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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den Kopf. »Oh mein Gott«, sagte er fast ehrfürchtig; seine Augen leuchteten vor Erregung. »Die Schlacht von Verdun. Die Schlacht von Verdun hatte bereits begonnen …«
    Danziger lächelte. »Ja. Was wir hier also haben, ist eine Zeitung aus – wie soll man es nennen? Eine Zeitung aus einer anderen Zeit- und Ereignisfolge. Oh Gott«, sagte er leise, »oh Gott, eine Zeitung von 1916 ohne ein einziges Wort über den Ersten Weltkrieg. Rube – verdammt noch mal, Rube! – die Zeitung, die hier vor uns liegt … ist das Überbleibsel eines anderen Weges, den die Welt einst eingeschlagen hat. Auf dem es keinen Ersten Weltkrieg gegeben hat.«
    Die beiden Männer schauten sich an; in ihren Augen zeigte sich glückliche Verwunderung. Dann beugte sich Danziger vor. »Sie sind der Historiker. Wäre es möglich gewesen? Hätte ein solch … gewaltiges Ereignis wie der Erste Weltkrieg vermieden werden können?«
    »Das ist eine gute Frage, verdammt noch mal: Es wäre tatsächlich beinahe gelungen!« Die beiden Männer hielt es nicht mehr auf ihren Plätzen; fast gleichzeitig schoben sie ihre Stühle zurück und erhoben sich. Rube steckte die Hände in die Gesäßtaschen seiner Hose, betrachtete die vergilbte Zeitung und blickte Danziger an. »Es ist sogar erwiesen. Seit Langem von vielen Historikern anerkannt. Der Erste Weltkrieg hätte nicht nur vermieden werden können, er hätte vermieden werden sollen. Es bricht einem das Herz, Dr. Danziger, wenn man über die Männer, die Zeit und die Ereignisse unmittelbar vor Ausbruch dieses Krieges liest. Wenn man Primärquellen studiert, die handschriftlichen Dokumente der Männer liest, die darin involviert waren, und dann in aller Ruhe über diesen verfluchten Krieg nachdenkt. Sie waren so verdammt nahe daran, ihn zu vermeiden.«
    In ihrem Bedürfnis, sich zu bewegen, schlenderten sie langsam in das düstere Wohnzimmer gegenüber; Rube nahm die Zeitung mit. An den Fenstern zur Straßenseite blieben sie stehen und sahen auf die beiden Automobilreihen hinab, die fünf Stockwerke unter ihnen geparkt waren. Leise sagte Rube: »Der Erste Weltkrieg, der ›Große Krieg‹, wie ihn die Engländer nennen. Es gab keinen triftigen Grund dafür. Er war nicht notwendig. Er widersprach den Interessen aller Staaten. Ich kann Ihnen auf der Stelle acht oder zehn Namen nennen, qualifizierte Leute, die einen großen Teil ihres Lebens dem Studium dieses Krieges gewidmet haben. Die darüber gelesen und geforscht haben. Die die alten Schlachtfelder abgeschritten und immer wieder darüber nachgedacht haben. Und die die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen könnten – die Orte und Zeiten –, die diesen Krieg hätten verhindern können. Ludendorff hätte ihn mit einem Wort aufhalten können. Und hätte es auch getan, wenn ihm nur die Tatsache bewusst gewesen wäre, dass die Vereinigten Staaten wirklich in der Lage waren, eine Armee zu rekrutieren, auszubilden, auszurüsten und innerhalb von Monaten nach Europa zu verlegen.«
    »Trotzdem, ein Ereignis von enormer Komplexität, dieser Krieg. Vier Jahre, die diese Welt verändert haben.«
    »Komplex, nachdem er begonnen hatte, aber nicht vorher.« Eine Weile lang starrten sie auf die Autodächer hinunter; dann sagte Rube: »Der Erste Weltkrieg hat fast zufällig begonnen. Aus einem nichtigen Grund. Uneinigkeiten zwischen den Nationen. Nun, ja, die gab es, hat es immer gegeben. Aber 1914 waren sie unbedeutender Natur. Mehr noch 1913 und 1912. Viel Gerede über Kolonien, aber wer brauchte oder wollte sie damals wirklich noch? Diese Zeit war vorbei, und alle wussten es. In Wahrheit nur viel leeres Gerede. Ignorante Männer in hohen Positionen. Ohne viel Verständnis für historische Ursachen und Folgen. Männer, die ohne wirkliche Notwendigkeit stupide Ultimaten stellten. Ein dummer Krieg, in den jeder hineintaumelte, ohne ihn wirklich zu wollen und daran zu glauben, dass er wirklich stattfinden würde. Einige Kriege mussten geschehen, sie hätten nicht verhindert werden können. Unser eigener Bürger …«
    »Rube.« Danziger lächelte ihn an. »Nichts ist mir lieber, als die ganze Vorlesung zu hören, neben einigen Exkursen. Aber zu dieser nächtlichen Stunde fürchte ich, dass ich dann das Examen nicht bestehe.«
    Rube lächelte und warf einen Blick auf seine Uhr. »Okay. Zeit, nach Hause zu gehen. Aber der Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf: Ohne diesen Krieg hätte das ein bemerkenswertes Jahrhundert werden können. Vielleicht sogar ein

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