Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
einem breiten Akzent absieht. Habe nichts anderes als gutes altes Amerikanisch gesprochen, bis ich in die Army eintrat und mich mit Militärgeschichte befasste. Nun lese ich sogar ein wenig Russisch und sogar Japanisch in Druckschrift. Aber für Sie brauchen wir etwas, in das nur Amerikaner involviert sind, und die Vorkriegsgeschichte der USA ist nicht gerade mein Fachgebiet. Ich muss nach Washington und einige Fachleute aufsuchen.« Er sah mich erwartungsvoll an.
»Und was glauben Sie, würde Dr. Danziger dazu sagen?«
»Oh, wir wissen beide, was er sagen würde. Ich kann aus dem kleinen roten Buch zitieren, den weisen, weisen Sprüchen des vorsichtigen Dr. Danziger. Des Übervorsichtigen — ich glaube, er ist einer von denen, die immer ein Ersatzpaar Schnürsenkel mit sich herumtragen. Aber wir reden nicht von einer Veränderung der Vergangenheit, Si, sondern von ihrer Wiederherstellung. Die alte Zeitung zeugte davon.« Er beugte sich über den Tisch zu mir. »Das zwanzigste Jahrhundert, Si, wäre das Beste gewesen, das Glücklichste, das die Menschheit jemals hätte haben können. Wir waren auf dem richtigen Weg in diesen ersten frühen Jahren. Und dann trat plötzlich eine Änderung ein. Etwas, das uns von unserem Weg abbrachte, uns in einen Krieg führte, den niemand wollte. Was wir tun können, Si, ist nicht, etwas zu ändern, sondern den Weg wiederzufinden und weiterzugehen, den Weg, den die Welt bereits eingeschlagen hatte.«
»Ich bin nur für einige Tage wieder zurückgekommen. Und wollte bis auf Dr. Danziger niemanden sehen. Am allerwenigsten Sie. Nur ein abschließender Besuch, vor allem, um mich ein wenig umzusehen. Mir einige Bilder einzuprägen. Wie jemand, der zum letzten Mal seine Heimatstadt besucht. Und nun, stattdessen« – ich schüttelte den Kopf und lachte ungläubig – »stattdessen wollen Sie, dass ich den Ersten …«
»Geben Sie mir eine Woche Zeit, Si. Das ist alles. Treffen wir uns wieder in genau einer Woche. An dem alten Platz. In dem Park, wo wir uns zum ersten Mal unterhalten haben.«
Er wartete, beobachtete mich, aber was mir durch den Kopf ging, war nicht das, was Rube annahm. In meinem Kopf schrie alles Tessie und Ted. Tu es und du bist dort, wo Tessie und Ted sind! Aber das ist doch eigentlich nicht erlaubt, oder? Doch, nämlich dann, wenn ich tun muss, worum mich Rube bittet. Dann trage ich keine Verantwortung dafür, nicht wahr?
»Gut. Dann also in einer Woche?«
Ich nickte, erschrocken und ungeheuer aufgeregt. Tessie und Ted …
»Sie werden mit Danziger reden«, fragte Rube.
»Ich denke schon.«
»Sie werden es nicht zulassen, dass er Sie dazu überredet …«
»Nein. Es war etwas anderes, als Sie und Esterhazy mit der Vergangenheit herumspielen wollten. Nur um zu sehen, was passieren würde. Damals stand ich auf der Seite von Danziger. Aber diesmal: ja, ich bin mir sicher. Wir treffen uns in einer Woche.« Tessie und Ted …
11
Durch die Drehtüren des Plaza, die Steintreppe hinunter, nach Norden, zur Ecke der 59th Street, wo ich an der Ampel stehen blieb. Ich war barhäuptig und trug eine graue Hose und einen marineblauen Anorak, die ich mir einige Tagen zuvor gekauft hatte. Die Ampel sprang um, ich überquerte die Straße zum Central Park und bog dann auf den Kiesweg ein. Ich war ein wenig aufgeregt und neugierig, was Rube mir präsentieren würde. Dann vom Weg herunter und ein paar Meter durch hohes Gras zu dem großen schwarzen Felsen.
Rube erwartete mich in einer olivgrünen Militärhose und einem Militärhemd, braunen Schuhen, einer alten Lederjacke und einer seltsamen blauen Strickmütze mit einer kleinen Troddel. Er lehnte mit dem Rücken am Felsen, seine Augen waren geschlossen, das Gesicht der Sonne zugekehrt; eine braune Papiertüte lag auf seinem Schoß.
Er hörte mich kommen, öffnete die Augen, lächelte und wies mit einer alles einschließenden Handbewegung auf das Gelände um uns, während ich mich setzte; derselbe Ort, an dem wir uns zum ersten Mal über das Projekt unterhalten hatten. »Symbolisch, nicht wahr? Bedeutsam.«
»Ja, so ähnlich.«
»Nun, Sie haben damals eine schwere Entscheidung getroffen, die die Richtige war. Tun Sie es nun wieder. Zuerst aber …« Er öffnete die Papiertüte, nahm ein in Wachspapier eingewickeltes Sandwich heraus und reichte es mir. »Was Sie damals auch bestellt haben, glaube ich. Damals, beim ersten Mal.« Ich lächelte und wusste, dass es ein Roast-Pork-Sandwich war. »Ebenfalls symbolisch.
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