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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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ebensolchen Kragen, einer schweren goldenen Uhrkette, Spazierstock mit Silberknauf und einem schimmernden Seidenhut. Ich ging auf ihn zu, versuchte die Kamera zu heben und ein Foto von ihm zu machen, konnte es aber nicht. War wie gelähmt. Ein Blitz aus seinen Augen hätte mich niedergestreckt und augenblicklich getötet.
    Als er an mir vorbei war, er bewegte sich auf der 5th in nördlicher Richtung, und in ausgemachter Manier seinen Spazierstock schwang, drehte ich mich um, um ihn zu fotografieren. Ich wartete allerdings einen Moment damit, fummelte an der Kamera herum und tat so, als wollte ich den Mann aufnehmen – und machte stattdessen die Aufnahme von diesen fabelhaften, sich unterhaltenden Mädchen. Ja Mädchen, verdammt noch mal. Natürlich sind sie junge Frauen, aber sie als ›Mädchen‹ zu bezeichnen heißt nicht, dass sie Kinder wären. Die englische Sprache ist vielschichtig; die Bedeutung eines Wortes kann je nach Kontext variieren. Und ›Mädchen‹ anstelle von ›junger Frau‹ auf die gleiche Stufe zu stellen mit dem ›Jungen‹, der in den Südstaaten für Schwarze gebraucht wurde, ist gedankenlos und einfach dumm.

    Also weiter – aber es musste einfach mal gesagt werden. Das Mädchen rechts trug einen grün-weiß gestreiften Mantel, die junge Frau in der Mitte ein dunkelbraunes Kleid, und die andere – nun sind Sie an der Reihe – ein flaschengrünes Kleid. Sie erwischte mich, als ich das Foto machte — und ich erwischte einen weiteren Spanner hinter ihnen.
    Wo war The Rev. and Mrs. C. H. Gardner’s Boarding and Day School for Young Ladies and Gentlemen? Verschwunden. Julia sprach manchmal davon, Willy dorthin zu schicken, ich wollte das nie.
    Die Veränderungen der 5th Avenue wurden umso augenfälliger, je weiter ich sie hinunterging. Ich sah mehr und mehr Geschäftsfassaden. Schilder, die darauf hinwiesen, dass Apartments zu vermieten waren, wie das hier. Ich nahm es auf weil, wie ich mich erinnerte, das Haus mit den Wappen tragenden Löwen einer reichen Familie gehörte. Es war ein wenig deprimierend, aber dann entdeckte ich etwas vor mir in der 44th Street, das meine Schritte beschleunigte. Ich lächelte vor Vergnügen und benutzte meinen vorletzten Film, um das wundervolle, einem Hochzeitskuchen nicht unähnliche Bauwerk (oben) zu fotografieren. Aber was stellte es wirklich dar? Ich wollte es genau wissen. Also ging ich quer über die 5th Avenue, vorbei an den Polizisten, und dann, als ich unter einer der Markisen stand und meinen Kopf hob, sah ich das polierte Messingschild, das mir sagte, dass das hier Delmonico’s war. Eine Hand berührte meinen Ellbogen, und eine Frauenstimme hinter mir sagte: »Nun, welch eine Überraschung! Kommen Sie wegen des Vortrags?« Ich drehte mich um; das Gesicht des Jotta Girls, eingerahmt von einem blassblauen, wagenradgroßen Hut, lächelte mich an. Ich lächelte zurück.

    »Oh!«, sagte ich ein wenig dumm. »Was führt Sie denn hierher?«
    »Ich folge Ihnen, natürlich! Kommen Sie mit rein?«
    Jetzt trafen in regelmäßiger Folge weitere Frauen ein, meist mittleren Alters oder älter, die Limousinen, Taxen, Kutschen oder Droschken entstiegen waren – mehr Limousinen als Kutschen. Die Wagentüren knallten, die schwachen Motoren hörten sich an, als würden sie gleich verenden, als sie wieder gestartet wurden.
    »Nun, ich weiß nicht so recht«, sagte ich. Jetzt waren die jungen Frauen an der Reihe; sie dufteten großartig, lachten, sahen in ihren riesigen Hüten wunderbar aus und zeigten ihre schönen Fesseln, als sie den Rock leicht anhoben, um die Treppe zu erklimmen. Viele von ihnen, meist diejenigen, die am besten aussahen, wurden von jungen Männern oder Jünglingen begleitet, von denen fast alle sehr groß waren.
    »Oh, seien Sie kein Hinterwäldler!«, sagte das Jotta Girl. Ihre Hand lag auf meinem Ellbogen, und sie schob mich vorwärts. »Dieser Vortrag könnte für Sie sehr nützlich sein!« Dabei lachte sie, als handele es sich um einen Witz.
    »Okay.« Wir gingen hinauf. »Und was könnte so nützlich für mich sein?«
    Sie zeigte auf ein großes Plakat hinter den weit geöffneten Eingangstüren. Es befand sich auf einer Staffelei aus vergoldetem Bambus; in verzierten Lettern – die Freiräume waren mit gemalten Efeublättern dekoriert – stand zu lesen: Mrs. Charles Henry Israels Komitee für Vergnügungs- und Freizeitbeschäftigungen arbeitender Mädchen präsentiert Professor Duryeas Tanzvorführung, pünktlich um 10 A. M.

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