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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Licht gewöhnen, das aus den großen rechteckigen Fenstern in die Wohnung fiel. Ich kannte den Grundriss und die Einrichtung des Apartments; ich war mit Dr. Danziger und Rube an dem Tag hier gewesen, als es fertig gestellt worden war. Nun ging ich zu einem der Fenster und schaute auf die im fahlen Licht liegenden gewundenen Wege und dunklen Schatten der Grünflächen des Central Park im Mondschein. Direkt unter meinem Fenster hätte ich, wenn ich mir die Mühe gemacht und mich hinausgebeugt hätte, die Straße, Central Park West, mit ihren Ampeln und wenigen Autos sehen können; weit hinter dem Park, wenn ich den Blick dorthin gerichtet hätte, dann die wenigen noch erleuchteten Fenster der großen Apartmenthäuser, die an die östliche Seite des Central Park grenzen; und wenn ich den Kopf nach rechts gedreht hätte, die Neonreklamen auf den Dächern der Hotels an der südlichen Seite des Parks und die dahinter liegenden Lichter der großen Bürogebäude des Zentrums.
    Aber ich tat es nicht. Stattdessen starrte ich auf die Schatten des Central Park hinunter. Genau vor mir spiegelte sich der Mond im See, so, wie es in anderen, längstvergangenen Nächten gewesen sein musste, als das Gebäude, in dem ich stand, noch neu gewesen war. An den verschlungenen Wegen des Parks brannten in großen Abständen Straßenlaternen, jede von der Aura spätnächtlichen Nebels umhüllt, und es schien mir, dass es früher von hier aus, wenn überhaupt, nicht viel anders ausgesehen hatte.
    Es gab an den Fenstern, wie ich wusste, schwere grüne Rouleaus; noch im Dunkeln ließ ich sie herab und zog dann die Samtvorhänge vor. Dies tat ich an allen Fenstern, dann holte ich aus der Tasche eine Streichholzschachtel. Ich strich mit einem Holz über die Sohle meines Stiefels. Es zischte, fing dann Feuer und brannte gleichmäßig; ein dünner Strom Wachs lief das Holz hinunter. Mit der anderen Hand umfing ich schützend die Flamme und hielt sie an eine L-förmige, verzierte Messingröhre, die ein Stückchen aus der Wand herausschaute. An ihrem Ende befand sich eine metallene Halterung, die einen gläsernen, blütenartig gemusterten Lampenschirm trug; ein ovaler Messinghahn war an der Unterseite der Röhre angebracht. Ich drehte daran, hörte das weiche Zischen des Gases, dann hielt ich das brennende Streichholz an die Düse. Eine blau geränderte Flamme schoss in dem Glasschirm empor, und in dem unruhigen Lichtkegel zu meinen Füßen erblickte ich die tanzenden Blumenmuster eines grauen Teppichs; gleich darauf hatte es sich wieder beruhigt.
    Ich warf nur einen kurzen Blick auf den Raum und die Möbel, denn es ging auf zwei Uhr morgens zu. Zwei Uhr morgens am 5. Januar 1882, murmelte ich in Gedanken versunken vor mich hin, als mir plötzlich bewusst wurde, dass das Experiment bereits begonnen hatte. Aber ich war müde und ziemlich erledigt, und da ich immer noch den Hahn in der Hand hielt, drehte ich das Gas wieder aus und ging in mein Schlafzimmer.

7
    Ich kann ganz gut kochen, was bei mir gewöhnlich dazu führt, dass die Küche hinterher völlig chaotisch aussieht, eben so, wie bei einem Mann, der sich alles selbst beigebracht hat. Aber ich tat das nun schon seit einer Woche, und mein Erinnerungsvermögen an gutes Essen verblasste zusehends. An diesem Abend hatte ich Schweinekoteletts mit in Schweineschmalz gebratenen Kartoffeln zubereitet und hoffte, dass beides gleichzeitig fertig sein würde – eine Hoffnung, die nicht besonders groß war. Ich hatte die Schnauze voll von meinen Kochkünsten, dachte ich, als ich in der großen alten Küche herumwerkelte, und lächelte dann; ›die Schnauze voll haben‹ war nicht ganz der richtige Ausdruck.
    Der Junge vom Fishborn’s Market hatte an diesem Morgen am Dienstboteneingang des Apartments das Fleisch angeliefert. Ich hatte ihn dort in meinen schwarzen, ungebügelten Wollhosen ohne Aufschlag, mit breiten Hosenträgern, einem grün-weiß gestreiften Hemd ohne Kragen, aber mit schwarzen Kragenknöpfen und in schweren, schwarzen Schnürschuhen empfangen. Dazu trug ich eine zweireihige schwarze Weste, deren Ränder mit Borten verziert waren und über die sich eine schwere goldene Uhrkette zog. Ich händigte dem Jungen meinen mit einem Bleistift geschriebenen Einkaufszettel für den nächsten Tag aus und gab ihm dann einen Nickel Trinkgeld. Der Nickel hatte auf einer Seite die Zeichnung eines Wappens, auf der anderen eine große Fünf; der Junge freute sich darüber und bedankte sich herzlich. Ich

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