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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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meine Meinung änderte. Ich wollte einfach herumreisen – vielleicht mit einem der westlichen Staaten als Ziel – und zeichnen, malen und fotografieren. Ich würde schreiben, wenn ich Zeit dazu hätte, und mich wieder melden, wenn ich zurück sei. Es gefiel mir nicht unbedingt, mich auf diese Art zu verabschieden, doch ich wusste, dass ich nicht überzeugend gewirkt hätte, wenn ich es persönlich oder am Telefon getan hätte.
    Ich gab die Karten und Briefe in der Lexington Avenue auf, nicht weit von meinem Apartment entfernt. Als ich sie in den Briefkasten warf, betrachtete ich noch einmal New York in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Es gab nicht viel zu sehen außer Gebäudefassaden, einem langen Stück Asphalt, auf dem sich ein einziges Taxi bewegte, und den Ausschnitt eines Himmels direkt über mir, der im Augenblick zu bedeckt war, um Sterne durchzulassen. Die Abgase der Autos schienen sich direkt über dem Boden zu sammeln und ließen meine Augen brennen; es war kalt geworden. Aus einem halben Block Entfernung näherte sich eine Gruppe Schwarzer der Lex von unten; ich wollte lieber verschwinden, um ihnen aus dem Weg zu gehen und keine blöden Erklärungen abgeben zu müssen; also ging ich weiter, die Lexington hinauf, dann hinüber zum Lagerhaus. Ich war müde und trotzdem so aufgeregt, dass ich meinen Herzschlag spürte.
    Zehn Minuten nach eins, anderthalb Stunden später, verließ ich das Lagerhaus wieder. Rube hatte seinen Wagen, einen kleinen roten MG Sedan, in der Straße an der Seitentür des Gebäudes geparkt. Er saß am Steuer, Doc Rossoff auf dem Beifahrersitz, und ich hatte mich mehr oder weniger zwischen ihnen versteckt; ich trug den Regenmantel des Doc über meinem Kostüm, obwohl ich versuchte, es nicht als Kostüm zu sehen. Mein langes Haar und den Bart musste ich natürlich nicht verstecken.
    Ich liebe New York bei Nacht, wenn die meisten Geschäfte geschlossen und dunkel sind, die Straßen so leer und ruhig, wie sonst zu keiner Tageszeit. Wir hörten das Geräusch der Reifen auf dem Asphalt, und in der Amsterdam Avenue, als wir an einer Ampel warteten, jemanden weit vor uns husten. Wir redeten nicht viel; wir überquerten den Broadway, hielten auf der Columbus an einer weiteren Ampel, und Rube sagte ›komischer Hund‹ und zeigte auf eine Frau, die mit ihrem frisierten Pudel in einer juwelenbesetzten Hundedecke spazieren ging. Kurze Zeit später deutete Oscar Rossoff auf ein geschlossenes Restaurant und sagte ›guter Fisch hier‹. Ich kann mich nicht erinnern, auch irgendetwas gesagt zu haben, aber ich gähnte häufig. Ich war schrecklich nervös. Rossoff verstand mich sehr gut und lächelte mir dann und wann freundlich zu.
    Rube parkte etwa zehn Meter vor dem Haupteingang des Dakota; er reichte mir die Hand zum Abschied und sagte nur: »Viel Glück, Si; ich wollte, ich wäre an Ihrer Stelle.« Rossoff öffnete seine Tür und stieg aus, ich rutschte über den Sitz und folgte ihm.
    Der uniformierte Portier erwartete uns bereits; er nickte nur, und wir gingen unter dem Torbogen an ihm vorbei und dann über den Innenhof; die beiden großen grünen Bronzebrunnen waren leer. Wir stiegen die breite alte Treppe im nordöstlichen Teil des Dakota bis zum siebten Stock hinauf, ohne jemandem zu begegnen; mein Apartment war nur wenige Türen entfernt. Ich holte meinen Schlüssel hervor. »Mein Mantel, Si«, sagte Oscar. Ich zog den Regenmantel aus und reichte ihn ihm. »Wollen Sie mit hereinkommen?«, fragte ich, doch er schüttelte den Kopf; er musterte meine Kleidung, dann wanderte sein Blick zu meinem Bart hoch und meinen Haaren, so, als habe er sie noch nie zuvor gesehen; plötzlich wirkte er ehrfürchtig. »Nein«, sagte er, »ich glaube nicht, dass irgendetwas aus der heutigen Zeit dort drinnen etwas verloren hat.« Er streckte mir die Hand hin. »Viel Glück, Si. Sie wissen, was Sie zu tun haben, wenn Sie so weit sind.«
    Wir verabschiedeten uns voneinander, dann ging ich zu meiner Tür, steckte den Schlüssel in das Schloss und drehte den großen verzierten Messingknauf; die Tür öffnete sich geräuschlos, als ob sie ohne Gewicht wäre, obwohl ich fast spüren konnte, wie massiv sie war. Ich drehte mich noch einmal um, aber Doc Rossoff war bereits den Gang hinuntergegangen und bog gerade zur Treppe ein, als er sich noch einmal kurz nach mir umblickte. Dann war er verschwunden.
    Ich ging hinein und schloss hinter mir die Tür. Meine Augen mussten sich erst an das schwache

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