Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
ich gemacht hatte, jede Szene, die ich gesehen, jeden Ton, den ich gehört hatte; im Raum war es still. Ungefähr fünfundzwanzig Männer waren hier versammelt, und keiner hustete oder ließ sich ablenken. Vermutlich haben sich manche von ihnen während der zwanzig Minuten, die ich sprach, Zigaretten angesteckt oder zurückgelehnt, ihre Stellung geändert oder die Beine übereinandergeschlagen; sehr wahrscheinlich sogar. Aber mein Eindruck war der einer vollkommenen Stille. Es gab nur meine Stimme und ihre Konzentration, die so absolut war, dass ich meinte, im Scheinwerferlicht schierer Aufmerksamkeit zu stehen.
Ich kam zum Schluss und beantwortete dann eine halbe Stunde lang ihre Fragen. In den meisten Fällen handelte es sich immer um dieselbe Frage: Wie war es? Wie war es wirklich? Und sie erwachten wieder aus ihrer Erstarrung. Sie bewegten sich, seufzten, flüsterten, zündeten Zigaretten an. Denn so sehr ich es auch versuchte und so ausführlich ich auch die Details schilderte, das, was mir widerfahren war, konnte ich ihnen nicht beschreiben; das blieb weiterhin ein Geheimnis für sie.
Nur bei den Fragen, die der Senator an mich richtete, war der Tonfall etwas anders. Aus Gründen, die ich nicht verstand, war er gegen mich eingestellt. Als ob er annehmen musste oder einfach nur glaubte, ich würde ihnen einen Streich spielen. Ich nehme an, dass das unter den ganzen Umständen kein abwegiger Gedanke war, obwohl ihn sonst niemand geäußert hatte. Aber der Senator konnte sich zum Beispiel nicht daran erinnern, dass sein Großvater jemals die Art Busse erwähnt hatte, die ich beschrieben hatte. Er blickte mich misstrauisch an, als habe er eine Schwachstelle entdeckt. Alles, was ich tun konnte, war höflich mit den Schultern zu zucken und zu erwidern, dass sie trotzdem so ausgesehen hatten. Ich nehme an, er folgte einfach dem Instinkt der Politiker, sich selbst zu schützen, falls später etwas schiefgehen sollte. Schließlich unterbrach ihn Esterhazy gekonnt, stellte mir eine kleinere Frage und vergaß dann einfach, dem Senator das Wort wieder zu erteilen. Er dankte mir und fragte mich, ob ich ihnen so lange zur Verfügung stünde, bis die Sitzung beendet sei. Als ich seiner Bitte entsprach, dankte er mir noch einmal; ich begriff, dass ich damit entlassen war, und ging. Es gab tatsächlich einen kleinen Applaus, als ich den Raum verließ, und ich wurde rot.
Ich saß dann unendlich lange in Rubes Büro, blätterte – wie im Wartezimmer eines Arztes – in alten Ausgaben von Life und musste wieder einmal feststellen, dass es nicht leicht war herauszufinden, ob ich sie schon kannte oder nicht. Dann nahm ich mir einen Playboy und ein Exemplar des U.S. InfantryJournal und holte mir in der Cafeteria eine Coke, obwohl ich eigentlich keine Lust darauf hatte. Rubes Sekretärin streckte zweimal den Kopf zur Tür herein und wollte wissen, wie es gewesen sei, wie es wirklich gewesen sei. Und so bemühte ich mich noch einmal, die richtigen Worte dafür zu finden. Es war bereits nach vier Uhr, als sie ein drittes Mal erschien. Sie habe soeben einen Anruf erhalten: Ob ich bitte zum Konferenzraum kommen könne?
Ich war niemals in einem Raum, in dem sich Geschworene mehrere Stunden lang beraten haben, aber ich bin überzeugt, dass die Atmosphäre ähnlich ist. Der Konferenzraum besaß eine Klimaanlage, er war nicht verqualmt, obwohl die Aschenbecher überquollen und die Luft nach Zigarettenrauch roch. Krawattenknoten waren nun gelockert, Anzugjacken hingen über Stuhllehnen, Notizblöcke waren vollgekritzelt, zusammengeknülltes Papier lag auf dem Tisch, und ich bemerkte einen Bleistift, der in der Mitte durchgebrochen war; die Gesichter waren gerötet, manche verquollen. Esterhazy erhob sich, als ich eintrat; er lächelte freundlich und sah kaum mitgenommen aus. Er hatte seine Anzugjacke nicht abgelegt, Krawatte und Hemd saßen so perfekt wie immer. Er bedeutete mir, wieder Platz zu nehmen, und setzte sich dann selbst hin, die Arme auf dem Tisch, die Hände lose verschränkt, sehr entspannt.
Er sagte: »Es tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten; Sie sind sicher körperlich wie geistig sehr müde.« Es klang aufrichtig und ich murmelte eine freundliche Erwiderung. Eigentlich, fiel mir auf, hatte ich erwartet, dass Danziger redete; ich blickte über den Tisch hinweg zu ihm hinüber. Sein Stuhl war so weit vom Tisch weggerückt, dass sich mir der Gedanke aufdrängte, er habe sich von dieser Zusammenkunft bereits
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