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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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verabschiedet. Sah er verärgert aus? Nein, entschied ich; eigentlich war sein Gesicht völlig ausdruckslos. Es war nicht zu erkennen, was er fühlte oder dachte. Esterhazy fuhr fort. »Wir mussten, wir wollten jede Meinung hören, um in dieser wichtigen Angelegenheit eine Entscheidung treffen zu können, die wir nun« – langsam schweifte sein Blick über den Tisch – »auch getroffen haben.«
    Dann lächelte er und schaute mich einen Augenblick lang an, und ich hatte plötzlich das Gefühl, als interessiere er sich für mich sowohl als Person als auch dessentwegen, was ich getan hatte. »Ihr erster ›Besuch‹, wenn das der richtige Ausdruck ist, hätte nicht umsichtiger durchgeführt werden können. Niemand hat Sie bislang gesehen oder gehört, und Ihre kurze Anwesenheit hat keinerlei Spuren hinterlassen. Es gab keinen noch so kleinen Eingriff in die Ereignisse der Vergangenheit. Ihr zweiter Besuch allerdings war – wie ja auch geplant  – kühner. Wieder haben Sie in die Ereignisse nicht eingegriffen, außer« – er hob den Zeigefinger wie ein Ausbilder von West Point, der Aufmerksamkeit forderte – »außer, dass Ihre Anwesenheit selbst ein Ereignis war. Ein kleines zwar nur, aber diesmal sind Sie von Leuten gesehen worden und einige haben zumindest kurz mit Ihnen gesprochen. Welche Gedankenfolgen haben sich wohl daraus ergeben, die wiederum Ereignisse beeinflussten, die sich später in irgendeiner Form auswirkten? Wir sind ein Risiko eingegangen, kein geringes, aber« – überraschend schlug er mit der Faust auf den Tisch und betonte jedes einzelne Wort – »ein Risiko, das bereits vorüber und vergangen ist. Wir haben dieses Risiko bewusst auf uns genommen. Der vollständige Untersuchungsbericht liegt nun vor, und wieder gibt es nicht den geringsten Hinweis, dass Ihre Anwesenheit nachfolgende Ereignisse auch nur im Geringsten beeinflusst hätte.«
    Einen Moment lang schwieg er, dann lächelte er plötzlich und überraschend freundlich: »Ich bin darüber nicht im Geringsten verwundert. Es bestätigt, wie viele von uns meinen  – und deren Ansicht, davon bin ich überzeugt, werden sich schließlich alle anschließen –, eine Theorie, die wir ›Zweig im Fluss‹ genannt haben. Wollen Sie mehr darüber wissen?« Ich nickte. »Nun, Zeit wird oft mit einem Fluss, einem Strom verglichen, wie Sie wissen. Was an einem bestimmten Punkt in diesem Strom geschieht, hängt zumindest zum Teil von dem ab, was stromaufwärts geschehen ist. Aber jeden Tag und jeden Augenblick ereignen sich unzählig viele Ereignisse, Milliarden Ereignisse, einige von ihnen von großer Tragweite. Wenn also Zeit ein Fluss ist, dann ist sie unendlich viel größer als selbst der Mississippi, wenn er über die Ufer steigt. Während Sie«, er lächelte mich an, »einer der allerkleinsten Zweige sind, die in diesen Strom geworfen werden. Es kann natürlich passieren, dass selbst der kleinste aller Zweige große Auswirkungen hat; dass er zum Beispiel irgendwo hängen bleibt und einen Stau verursacht, der auf einmal die Richtung des mächtigen Stromes ändert. Die Möglichkeit, die Gefahr einschneidender Veränderungen scheint also zu existieren. Aber trifft das auch in Wirklichkeit zu? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit überhaupt? Es besteht im Grunde eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit, dass ein Zweig, der in diesen enormen und unglaublich mächtigen Strom, in die unvorstellbare Kraft und den Sog dieses Mississippis der Ereignisse geworfen wird, ihn verdammt noch mal nicht das kleinste bisschen verändert!«
    Nur für einen kurzen Moment hatte sich sein Gesicht rot verfärbt, dann war es wieder hell, beinahe blass, und er lehnte sich in den Stuhl zurück, die Arme zwanglos vor sich auf dem Tisch, und sagte ruhig: »So lautet die Theorie – doch diese Theorie ist eine Tatsache.«
    Anschließend war es sechs oder sieben Sekunden lang still; hätte es eine Uhr gegeben, hätten wir sie ticken gehört. Dann sagte Danziger, ohne sich zu rühren: »So lautet die Theorie. Mit ihr stimme ich überein, da sie zum größten Teil von mir selbst stammt. Aber ist sie auch eine Tatsache?« Er nickte bedächtig. »Ich vermute es, ich nehme es an.« Und dabei sah er jedem fest in die Augen. »Aber was ist, wenn wir uns irren?«
    Ich war überrascht. Esterhazy murmelte: »Ja«, und nickte würdevoll und zustimmend. »Die Wahrscheinlichkeit ist riesengroß; man muss mit ihr rechnen, und sie wäre schrecklich. Und dennoch« – langsam

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