Zelot
verheißene Messias war.
Das soll nicht heißen, dass Jakobus und die Apostel nicht daran interessiert gewesen wären, die Nichtjuden zu erreichen, oder dass sie geglaubt hätten, Nichtjuden könnten sich ihrer Bewegung nicht anschließen. Wie Jakobus durch seinen Beschluss im Apostelkonzil andeutet, war er gewillt, bei nichtjüdischen Konvertiten auf die Praxis der Beschneidung zu verzichten und ihnen «keine Lasten aufzubürden». Jakobus wollte die Nichtjuden nicht zwingen, erst Juden zu werden, bevor sie sich zum Christentum bekennen durften. Er bestand lediglich darauf, dass sie sich nicht vollständig vom Judentum abkehrten und sich an gewisse Grundsätze und Praktiken jenes Mannes hielten, dem sie folgen wollten (Apg 15 , 12 – 21 ). Andernfalls bestand die Gefahr, dass aus der Bewegung eine vollkommen neue Religion wurde, was weder Jakobus noch sein Bruder Jesus vorgesehen hatten.
Jakobus’ stete Führung der Jerusalemer Urgemeinde endete im Jahre 62 n. Chr. mit seiner Hinrichtung durch den Hohepriester Hannas. Der Grund dafür war sicherlich nicht, dass er ein Anhänger Jesu war, und bestimmt auch nicht, dass er das Gesetz übertreten hatte (sonst wären «diejenigen, die im Rufe standen, am gerechtesten zu urteilen und die Gesetze streng einzuhalten», angesichts seiner ungerechten Exekution nicht derart im Aufruhr geraten). Wahrscheinlich wurde Jakobus hingerichtet, weil er tat, was er am besten konnte: die Armen und Schwachen gegen die Reichen und Mächtigen verteidigen. Hannas’ Pläne, die niedere Priesterklasse um ihre Zehnten zu bringen, hieß Jakobus wahrscheinlich nicht gerade gut. Daher nutzte Hannas die kurze Abwesenheit römischer Autorität in Jerusalem dazu, sich eines Mannes zu entledigen, der zu einem Stachel in seinem Fleisch geworden war.
Es lässt sich nicht sagen, was Paulus in Rom empfand, als er die Nachricht von Jakobus’ Tod erhielt. Wenn er jedoch annahm, das Dahinscheiden von Jesu Bruder würde nun den eisernen Griff Jerusalems um die Gemeinde lockern, dann irrte er sich. Die Führerschaft der Jerusalemer Urgemeinde wurde rasch einem anderen Familienmitglied Jesu übertragen, seinem Vetter Simeon bar Klopas. Die Gemeinde wirkte nach Jakobus’ Tod noch vier Jahre ungehindert weiter, bis sich die Juden plötzlich gewaltsam gegen die römische Herrschaft auflehnten.
Als die Unruhen begannen, scheinen viele Hebräer nach Pella geflohen zu sein. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Führungskern der Urgemeinde Jerusalem verließ. Vielmehr harrten sie in der Stadt von Jesu Tod und Auferstehung aus und warteten voller Ungeduld auf seine Wiederkehr, bis zu dem Augenblick, als die Armee des Titus eintraf und die Heilige Stadt mitsamt ihren Einwohnern – Juden wie Christen – dem Erdboden gleich machte.
Mit der Zerstörung Jerusalems wurden die Verbindungen zwischen den überall in der Diaspora verstreuten Gemeinden zu der in der Stadt Gottes verwurzelten Urgemeinde dauerhaft beschädigt und damit auch die letzte physische Verbindung der christlichen Gemeinde zu dem Juden Jesus. Jesus dem Zeloten.
Jesus von Nazaret.
Epilog
Wahrer Gott von wahrem Gott
Die graubärtigen Männer mit dem schütteren Haar, die den Glauben und die Praxis des Christentums festlegten, begegneten sich zum ersten Mal in der byzantinischen Stadt Nicäa am Ostufer des Iznik-Sees im Gebiet der heutigen Türkei. Es war im Sommer des Jahres 325 n. Chr. Die Männer waren von Kaiser Konstantin zusammengerufen worden, um endlich einen Konsens über die Doktrin jener Religion zu finden, die er kürzlich selbst angenommen hatte. Gehüllt in Gewänder aus Purpur und Gold und mit einem Lorbeerkranz auf dem Kopf, rief der erste christliche Kaiser Roms das Konzil zur Ordnung, als wäre es ein römischer Senat – was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass jeder der fast 2000 Bischöfe, die er nach Nicäa bestellt hatte, um das Christentum dauerhaft zu definieren, ein Römer war.
Die Bischöfe sollten erst dann wieder auseinandergehen, wenn sie die theologischen Differenzen untereinander beigelegt hätten, insbesondere, was das Wesen Jesu und seine Beziehung zu Gott betraf. In den Jahrhunderten seit der Kreuzigung Jesu hatte es zwischen den Kirchenführern immer wieder erbitterten Streit darum gegeben, ob Jesus menschlich oder göttlich sei. War er die Inkarnation Gottes, wie etwa Athanasius von Alexandria behauptete, oder war er, wie Arius’ Anhänger annahmen, nur ein Mensch – ein
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