Zelot
wiederholt in seinem Brief: «Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt.» (Jak 2 , 10 )
Das Hauptanliegen des Jakobusbriefes ist die Frage, wie sich die richtige Balance zwischen der Befolgung der Tora und dem Glauben an Jesus als Messias halten lässt. Im gesamten Text ermahnt Jakobus die Anhänger Jesu immer wieder, dem Gesetz treu zu bleiben. «Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und an ihm festhält, wer es nicht nur hört, um es wieder zu vergessen, sondern danach handelt, der wird durch sein Tun selig sein.» (Jak 1 , 25 ) Juden, die sich vom Gesetz abkehren, nachdem sie sich zu Jesus bekannt haben, vergleicht er mit einem Menschen, «der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet … Er betrachtet sich, geht weg und schon hat er vergessen, wie er aussah.» (Jak 1 , 23 – 24 )
Es sollte keinen Zweifel daran geben, auf wen sich Jakobus in diesen Versen bezieht. Tatsächlich wurde der Jakobusbrief sehr wahrscheinlich als Korrektiv zu den Predigten des Paulus angesehen, weshalb er auch an «die zwölf Stämme, die in der Zerstreuung leben [in der Diaspora]», gerichtet ist. Die Feindseligkeit des Briefes gegenüber paulinischer Theologie ist unübersehbar. Paulus lehnt das Gesetz Mose ab als «Dienst, der zum Tod führt und dessen Buchstaben in Stein gemeißelt waren» ( 2 Kor 3 , 7 ), Jakobus hingegen preist es als «das vollkommene Gesetz der Freiheit» (Jak 1 , 25 ). Paulus behauptet, «dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus» (Gal 2 , 16 ). Jakobus weist Paulus’ Vorstellung, der Glaube allein führe zur Erlösung, entschieden ab. «Was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke?», gibt er zurück. «Kann etwa der Glaube ihn retten? Das glauben auch die Dämonen und sie zittern.» (Jak 2 , 14 ; 19 ) In seinem Brief an die Römer schreibt Paulus, «dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes» (Röm 3 , 28 ). Jakobus bezeichnet dies als Überzeugung eines «unvernünftigen Menschen» und hält dagegen, auch der Glaube sei «tot ohne Werke» (Jak 2 , 20 ; 26 ).
Was beide Männer mit «Werken» meinen, ist die Umsetzung des jüdischen Gesetzes im Alltag des Gläubigen. Vereinfacht gesagt: Paulus betrachtet solche «Werke» als für die Erlösung irrelevant, Jakobus hingegen sieht darin die Voraussetzung für den Glauben an Jesus Christus. Um diese Auffassung zu unterstreichen, liefert Jakobus ein vielsagendes Beispiel, welches zeigt, dass er Paulus in seinem Brief gezielt widerlegen will: «Wurde unser Vater Abraham nicht aufgrund seiner Werke als gerecht anerkannt? Denn er hat seinen Sohn Isaak als Opfer auf den Altar gelegt», sagt er und bezieht sich damit auf die Geschichte, in der Abraham auf Geheiß Gottes beinahe seinen Sohn Isaak geopfert hätte ( 1 Mos 22 , 9 – 14 ). «Du siehst, dass bei ihm der Glaube und die Werke zusammenwirkten und dass erst durch die Werke der Glaube vollendet wurde. So hat sich das Wort der Schrift erfüllt: Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt.» (Jak 2 , 20 – 23 )
Dieses Beispiel ist deshalb so entlarvend, weil Paulus in seinen Briefen oft dieselbe Geschichte anführt, um exakt gegenteilig zu argumentieren. «Müssen wir nun nicht fragen: Was hat dann unser leiblicher Stammvater Abraham erlangt?», schreibt Paulus. «Wenn Abraham aufgrund von Werken Gerechtigkeit erlangt hat, dann hat er zwar Ruhm, aber nicht vor Gott. Denn die Schrift sagt: Abraham glaubte Gott und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet.» (Röm 4 , 1 ; siehe auch Gal 3 , 6 – 9 )
Jakobus konnte zwar vielleicht keinen von Paulus’ Briefen lesen, aber er war mit dessen Lehren über Jesus offensichtlich vertraut. Die letzten Jahre seines Lebens widmete er der Entsendung von Missionaren in Paulus’ Gemeinden, um zu korrigieren, was er als dessen Fehler betrachtete. Die Predigt, aus welcher schließlich der Jakobusbrief wurde, war ein Versuch, Paulus’ Einfluss zu schmälern. Glaubt man dessen Anhängern, dann waren Jakobus’ Bemühungen erfolgreich, da sich in Paulus’ Gemeinden viele von ihm abwandten, um fortan den Lehrern in Jerusalem zu folgen.
Die Wut und Verbitterung, die Paulus gegenüber diesen «Lügenaposteln, unehrlichen Arbeitern» und «Handlangern» Satans
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