Zelot
und Akten – alles ging in Flammen auf. Es gab jetzt keine Aufzeichnungen mehr darüber, wer reich war und wer arm. Alle würden in dieser neuen und göttlich inspirierten Weltordnung von vorn anfangen.
Sobald sie die Unterstadt unter ihrer Kontrolle hatten, begannen sich die Rebellen gegen den unausweichlichen römischen Angriff zu wappnen. Doch statt einem starken Heer schickte Rom unerklärlicherweise nur eine kleine Truppe nach Jerusalem, die von den Rebellen problemlos zurückgeschlagen wurde. Die Aufrührer wandten sich sodann gegen die Oberstadt, wo sich die wenigen in Jerusalem verbliebenen Soldaten in einer römischen Garnison verschanzt hatten. Diese stimmten einer Kapitulation im Austausch gegen sicheres Geleit aus der Stadt zu, doch als sie ihre Waffen niederlegten und ihre Festung verließen, gingen die Rebellen auf sie los und machten sie bis zum letzten Mann nieder – so entfernten sie die Geißel der römischen Besatzung ganz und gar aus der Stadt Gottes.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Juden hatten dem größten Reich, das die Welt je gesehen hatte, den Krieg erklärt.
Kapitel sechs
Jahr Eins
Letztendlich waren es gerade einmal 1000 Männer, Frauen und Kinder – die letzten Rebellen –, die den römischen Ansturm überlebten. Man schrieb das Jahr 73 n. Chr. Was mit den Sikariern begonnen hatte, endete passenderweise auch mit den Sikariern. Die Stadt Jerusalem war schon bis auf die Grundmauern niedergebrannt, die Stadtmauer eingerissen, die Bevölkerung ermordet. Ganz Palästina stand wieder unter römischer Kontrolle. Von der Rebellion übrig geblieben waren nur diese letzten Sikarier, die mit ihren Frauen und Kindern aus Jerusalem geflohen waren, um sich in der Festung Masada am Westufer des Toten Meeres zu verschanzen. Jetzt saßen sie dort auf dem isolierten Tafelberg mitten in der öden Wüste fest und schauten hilflos zu, wie eine Phalanx römischer Soldaten sich allmählich mit erhobenen Schilden und gezogenen Schwertern die Felswand hocharbeitete, bereit, der Rebellion, die sieben Jahre zuvor begonnen hatte, endgültig ein Ende zu machen.
Die Sikarier waren in den ersten Tagen nach dem Beginn des Kriegs mit Rom erstmals nach Masada gekommen. Die praktisch uneinnehmbare natürliche Festung 400 Meter über dem Toten Meer hatte den Juden schon lange als Zufluchtsort gedient. David versteckte sich hier vor König Saul, als der seine Männer ausschickte, um den Hirtenjungen, der ihm eines Tages die Krone entwinden sollte, zur Strecke zu bringen. Die Makkabäer nutzten Masada während ihrer Revolte gegen die Seleukiden als Militärbasis. Ein Jahrhundert später verwandelte Herodes der Große die Anlage in eine richtige Festungsstadt. Er ebnete den bootsförmigen Gipfel ein und umfasste ihn mit einer dicken Mauer aus weißem Kalkstein. Herodes ließ Lagerhäuser und Kornspeicher anlegen, Regenwasserzisternen, ja sogar ein Schwimmbad. Und er lagerte einen gewaltigen Waffenvorrat in der Festung, angeblich ausreichend, um 1000 Mann auszurüsten. Für sich und seine Familie baute der König der Juden einen monumentalen dreistöckigen Palast, der knapp unter dem Rand des Gipfels am nördlichen Bug der Felswand hing, mit Bädern, glitzernden Kolonnaden, bunten Mosaiken und einer phantastischen 180 -Grad-Aussicht auf das salzweiße Tal des Toten Meeres.
Nach Herodes’ Tod fielen die Festung und die Paläste einschließlich des Waffenverstecks in römische Hände, doch als die jüdische Rebellion im Jahr 66 n. Chr. begann, entwanden die Sikarier unter der Führung Manaims Masada der römischen Kontrolle und nahmen die Waffen wieder mit zurück nach Jerusalem, um sich dort dem Tempelhauptmann Eleasar anzuschließen. Nachdem die Rebellen die Stadt in ihre Hand gebracht und das Tempelarchiv zerstört hatten, feierten sie ihre schwer errungene Unabhängigkeit auch mit eigenen Münzen. Sie trugen Siegessymbole – Kelche und Palmzweige – und Parolen wie «Freiheit Zions» und «Jerusalem ist heilig», nicht auf Griechisch, in der Sprache der Heiden und Götzenanbeter, sondern auf Hebräisch. Alle Münzen waren selbstbewusst auf das «Jahr eins» datiert, als sei eine ganz neue Ära angebrochen. Die Propheten hatten recht behalten. Dies war das Gottesreich.
Doch mitten in den Feiern, Jerusalem war gerade einigermaßen sicher und es herrschte eine fragile Ruhe in der Stadt, tat Manaim etwas Unerwartetes. Er legte purpurfarbene Gewänder an und zog in einer triumphalen Prozession
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