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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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besondere Funktion übernommen hatten. Sie wurden einfach «die Zwölf» genannt. Dazu gehörten die Brüder Jakobus und Johannes – die Söhne des Zebedäus, die auch
Boanerges,
«Donnersöhne», hießen; Philippus, der aus Betsaida stammte und ein Jünger Johannes’ des Täufers war, bevor er Jesus nachfolgte (Joh  1 , 35 – 44 ); Andreas, der laut Johannes-Evangelium ebenfalls zunächst ein Anhänger des Täufers war, während die synoptischen Evangelien dieser Aussage widersprechen, indem sie ihn in Kafarnaum verorten; Andreas’ Bruder Simon, der Jünger, den Jesus Petrus nennt; Matthäus, der manchmal mit einem anderen Jünger Jesu, Levi, dem Steuereintreiber, verwechselt wird; Judas, der Sohn des Jakobus; Jakobus, der Sohn des Alphäus; Thomas, der sprichwörtlich werden sollte, weil er die Auferstehung Jesu anzweifelte; Bartholomäus, über den fast nichts bekannt ist; ein weiterer Simon, bekannt als «der Zelot», eine Bezeichnung, die seine Begeisterung für die biblische Lehre des Glaubenseifers signalisieren sollte, nicht aber eine Verbindung mit der Zelotenpartei, die erst 30  Jahre später entstand; und Judas Iskariot, der Mann, der den Evangelien zufolge Jesus eines Tages an den Hohepriester Kajaphas verraten sollte.
    Die Zwölf werden zu den wichtigsten Vermittlern der Botschaft Jesu – zu
apostoloi
oder «Sendboten» –, Aposteln, die in Nachbarstädte und -dörfer geschickt werden, um dort unabhängig und ohne Aufsicht zu predigen (Lk  9 , 1 – 6 ). Sie waren nicht die Anführer der Jesus-Bewegung, aber doch ihre wichtigsten Missionare. Doch die Zwölf hatten noch eine weitere, eher symbolische Funktion, die erst später in Jesu Wirken offen zutage treten sollte: Sie versinnbildlichten die Wiedereinsetzung der zwölf Stämme Israels, die schon seit langem vernichtet und in alle Winder zerstreut waren.
    Sobald er sich niedergelassen hatte und seine handverlesene Gruppe von Jüngern wuchs, ging Jesus in die Dorfsynagoge, um den Menschen von Kafarnaum seine Botschaft zu predigen. Die Evangelien sagen, dass jene, die seine Lehren hörten, «betroffen» waren. Das war wohl kaum allein auf seine Worte zurückzuführen, denn auch zu diesem Zeitpunkt gab Jesus nur die Worte seines Lehrmeisters Johannes des Täufers weiter: «Von da an [seit er in Kafarnaum wohnte] begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.» (Mt  4 , 17 ) Was die Zuhörer in der Synagoge von Kafarnaum vielmehr erstaunte, war die charismatische Autorität, mit der Jesus sprach: «denn er lehrte sie wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten» (Mt  7 , 29 ; Mk  1 , 22 ; Lk  4 , 32 ).
    Der Vergleich mit den Schriftgelehrten, der in allen drei synoptischen Evangelien hervorgehoben wird, ist ebenso augenfällig wie vielsagend. Anders als Johannes der Täufer, der wohl in einer Familie judäischer Priester aufwuchs, war Jesus ein Bauer. Er sprach wie ein Bauer. Er lehrte auf Aramäisch, in der Sprache der Bauern. Er besaß nicht die Autorität der Buchgelehrten und der Priesteraristokratie, die ihrem ernsten und mühsamen Studium der Schriften und ihrer engen Beziehung zum Tempel entsprang. Jesu Vollmacht kam direkt von Gott. Ja, von dem Moment an, in dem er die Synagoge in diesem kleinen Dorf am Ufer besuchte, tat Jesus alles, um sich in direkte Opposition zu den Tempelwächtern und dem jüdischen Kult zu setzen, indem er ihre Autorität als Stellvertreter Gottes auf Erden anzweifelte.
    Die Evangelien zeigen Jesus im Konflikt mit einer ganzen Palette jüdischer Autoritäten, die oft in formelhaften Kategorien wie «die Hohepriester und Ältesten» oder «die Schriftgelehrten und Pharisäer» zusammengefasst werden, doch im Palästina des 1 . Jahrhunderts waren dies sehr unterschiedliche Gruppierungen, und Jesus hatte unterschiedliche Beziehungen zu jeder von ihnen. Während die Evangelien dazu neigen, die Pharisäer als die schlimmsten Kritiker Jesu darzustellen, war der Umgangston zwar gelegentlich gereizt, aber doch die längste Zeit ziemlich höflich und sogar manchmal freundlich. Es war ein Pharisäer, der Jesus warnte, dass sein Leben in Gefahr sei (Lk  13 , 31 ), ein Pharisäer, der half, ihn nach der Kreuzigung zu begraben (Joh  19 , 39 – 40 ), ein Pharisäer, der das Leben der Jünger rettete, nachdem Jesus in den Himmel aufgestiegen war (Apg  5 , 34 ). Jesus aß mit Pharisäern, er diskutierte mit ihnen, er lebte unter ihnen; ein paar Pharisäer zählten

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